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Ueber die Geschichte der hohen Straße und des 

Elbüberganges bei Boritz-Merschwitz   

von Fritz Bielig

In:  Aus der Heimat - Beilage zum Großenhainer Tageblatt, März - Juli 1922

 

[ Teil 1 ]   Ein uralter Völkerweg hat einst bei Merschwitz die Elbe überschritten. Diese alte Straße hieß "Hohe Straße" im Gegensatz zur Niederen Straße. Die Hohe Straße führte von Thüringen über Leipzig, Nordsachsen, die Oberlausitz nach Schlesien und Polen. Sie berührte folgende Orte: Leipzig, Grimma, Oschatz, Boritz Merschwitz, den Hayn, Radeburg, Königsbrück, Kamenz, Bautzen, Görlitz, ging über den Queis bei Lauban (daher Queisfuhren) nach Schweidnitz, Liegnitz, Breslau und weiter nach Polen.

      Nach Schlesien ging auch die Niederstraße Ihr Verlauf war: Leipzig, Eilenburg, Torgau, Belgern, Liebenwerda, Senftenberg, Spremberg, Muskau, Priebus, Liegnitz, Breslau.

     Die Hohe Straße und die alte Hallische Salzstraße von Halle nach der Lausitz und Schlesien sind fast ein und dasselbe. Nur ging die Salzstraße von Oschatz über Eilenburg nach Halle, nicht also über Grimma und Leipzig. In unserer Heimat wurde das Salz meist über Strehla, Glaubitz, Wildenhain nach Großenhain oder von Strehla über Streumen nach Elsterwerda und Ortrand gefahren. Diese Straßen sind Abzweigungen der Hohen Straße.

      Vielfach wird wird die Hohe Straße auch mit den alten Poststraßen verwechselt. Eine Poststraße ging von Großenhain über Wildenhain, Glaubitz nach Strehla, Oschatz, Eilenburg, Leipzig.  

      Eine andere ging von Meißen über Fischergasse, Keilbusch , Zehren, Obermuschütz, Wölkisch, Klappendorf, Vorwerk Pöhsig,  Strauchitz, Oschatz nach Leipzig. Diese heißt auch Napoleonstraße, weil sie Napoleon benutzte.

      Es gab natürlich noch andere Poststraßen in unserer Gegend, hier seien nur die erwähnt, die mit der Hohen Straße verwechselt werden; denn diese Straßen decken sich streckenweise.

      In der Heimat hatte die Hohe Straße folgenden Verlauf: Oschatz, Seerhausen, Böhlen, Gostewitz ( bis hierher völlig gleichlaufend mit der alten Poststraße), dann über Heyda, Boritz, Merschwitz, zwischen Medessen und Skassa hindurch nach Zschieschen und Großenhain. Zuerst ging sie nicht über Zschieschen, sondern durch Mülbitz durch die Röderfurt (Pferdeschwemme) und durch das Dresdener Tor in die Stadt, später aber von Zschieschen aus über die Siechenbrücke, die Meißner Vorstadt hinan, dann außerhalb der Stadt entlang (also nicht zum Meißner Tor hinein) bis zum Dresdner Tore und in die Dresdner Straße hinein.

      Ebenso war ihr Ausgang von Hayn nicht immer derselbe. In alter Zeit ging sie wieder zum Dresdner Tor (damals noch Magdeburger Tor geheißen) hinaus durch Mülbitz in gerader Richtung nach Nauleis, Hohndorf, Radeburg - später ging sie durch die Stadt und zum Naundorfer Tor hinaus, nördlich von Naundorf und Folbern entlang, an der Paulsmühle über die Röder, durch Niederrödern und Radeburg, weiter nach Königsbrück, Kamenz und Bautzen.In Merschwitz selbst ging sie von der Fähre nach dem Schenkgute und der Schmiede, Münchberg, Drei Jungfern, bis zur Rüdelei, von da nach Zschieschen. Das Stück zwischen dem Tunnel und der Rüdelei ist heute nicht mehr zu finden, es verschwand beim Bau der Leipzig-Dresdner Eisenbahn, die es dreimal zerschnitt, weil es in Windungen ging, gemäß der alten herschaftlichen Gutsbezirksgrenze von Zottewitz.

      In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Straße vom Staate den Gemeinden übergeben. Sie wurde damals noch verengert und mit Gräben und Bäumen versehen, sodaß noch heute manche Gemeind einen breiten Grasstreifen beiderseits der jetzigen Straße und und daselbst die Obstbäume zu verpachten hat.

      Wie heute an an der Staatsstraße Kilometersteine stehen, so standen an der Hohen Straße einst Meilensteine. Diese waren 1722 durch Friedrich August I., König von Polen, nach eigenen Entwürfen errichtet worden. Es gab vier Sorten. Die beiden größeren waren Pyramiden, die anderen Hermessäulen mit einem Kopfe und dem kursächsischen und dem Polnischen Wappen. Es gab Meilensteine, Halbmeilensteine und Viertelsteine auf der Straße von Merschwitz bis Großenhain. In Merschwitz stand der der Meilenstein in der Nähe der Fähre und der alten Schule, an der sogenannten Halsbreche, der Viertelstein beim Bahnübergang nach Skassa zu, der halbe Meilenstein  auf der Höhe am Dornstrauch (eine Steingrube, die ehemals  bei der Einmündung der Medesser Straße auf die Hohe Straße lag). In Großenhain auf dem Markte stand ein zweiter Meilenstein.

      Auch wäre noch zu erwähnen, daß die alte Straße zwei Fahrwege hatte, die sich durch das Rechtsfahren ergaben und zwischen sich einen Rasenstreifen ließen, in dem später, als die Straße verfiel, die Lerchen friedlich nisteten (Mitteilung von Herrn Karl Münch).

    Welch ein reges Leben muss doch einst auf der Hohen Straße gewesen sein! Hin und her zogen lange Karawanen hoch geladener Planwagen mit den Gütern und Erzeugnissen aus dem Fernen Osten und Westen. Sie waren mit 4, 6, 8 und mehr Pferden verspannt. Nur der hohe Schnee hinderte den Verkehr, bis die umliegenden Dörfer Bahne gemacht haben, sonst aber zogen bei Wind und Wetter die Planwagen, begleitet von blaukittligen Fahrleuten, hier durch. Da standen manchmal die Wagen in Merschwitz von der Fähre bis über die Schmiede einer am andern; ähnlich war es auch in Boritz. Die Fuhrleute übernachteten oft in Merschwitz und Boritz, stellten in der Schänke ihre Pferde ein, ließen beim Meister Schmied ihre Pferde beschlagen. Darum spielten Schänke und Schmiede in diesen Orten eine wichtige Rolle. Sie liegen hart an der Straße. Das Merschwitzer Schenkgut ist neben dem Rittergut, zu dem es jetzt gehört, einst das größte Anwesen in Merschwitz gewesen. Noch heute deuten die beiden Fuhrmanns-Köpfe auf seinen Torpfeilern auf den alten Straßenverkehr hin. Oft wurden vom Schenk gute Vorspanndienste geleistet bis hinauf auf die Höhe der Rüdelei, zum sogenannten Dornstrauch. Wie viel fremdes Volk, vor allem russische und polnische Juden, mag wohl einst in Merschwitz und Borzitz in den Gasthäusern übernachtet sein?! (Damals also hatten diese Orte, die heute fern vom Weltverkehr liegen, ein internationales Publikum.)

    Und die Merschwitzer Schmiede! Sie ist sehr alt. Das heutige Gebäude steht sein 1674, wie die Jahreszahl über der Werkstatt sagt, unter ihr lautet eine Inschrift:

                   Der Schmied den Stahl durchs Feuer tut zwingen

                   Durch Kreuz uns Gott – zu  Buße tut bringen

 

    Sehr alt ist die Hohe Straße. Aber über ihre ersten Anfänge lässt sich nichts Genaues sagen, da die Geschichtsschreibung nichts oder sehr wenig überliefert hat.Ziemlich spät, erst 1213 und 1241, wird die Hohe Straße urkundlich erwähnt, bisweilen auch „Alte Hallische Salzstraße“ genannt. Doch wie oben erwähnt, decken sich beide nicht ganz. Daß aber schon viel eher hier eine Straße war und Boritz, (Merschwitz spielte damals noch keine Rolle, sondern der westliche Ort, vergleiche Riesa, Strehla, Dresden, Grimma –alle liegen westlich des Flusses, so wie die Kultur vordrang) ein Durchgansort mit Zöllen, beweist eine Urkunde von 1065. Damals erhielt das Bistum und Stift Naumburg die Burgwarte Strehla und Boritz. Dabei werden als Einkünfte des Ortes das Merkatum = Marktrecht und Theloneum = Pferdezoll aufgeführt. Dieselben Rechte hatte auch Grimma. Daraus erhellt, daß schon damals ein alter Handelsweg über diese Orte im Schwunge war. Ja, bereits 983 wird ein Durchgangszoll für die Elbübergänge unterhalb Meißens urkundlich erwähnt. Dass dieser Völkerweg noch weiter zurückreicht, will Prof. Schuberth, der Chronist von Großenhain, aus den Funden von orientalischen Schmuckstücken und Münzen, die in der Nähe der Hohen Straße ausgegraben wurden.

     Aber in Schwung kann dieser Handelsweg im 11. Jahrhundertdurch die damaligen Landesherren, die Böhmerkönige. Sie begünstigten und schützten den Handel, um Einkünfte herauszuschlagen. So entstanden damals in gleichem Abstande von etwa 5 Stunden (eine damalige Tagesreise) die Städte an der Hohen Straße. Sie dienten als Schutz- und Ruhepunkte. So entstanden im 11. Jahrhundert aus den beiden sorbischen Dörfern Gwozdec = Hayn und Ozzek = Hagen, die dicht beieinander an der Röder lagen, die heutige Stadt Großenhain, indem der Böhmenkönig Wratislaw eine feste Wasserburg errichtete. So wurde Großenhain zu einem wichtigen Straßenknotenpunkte und etwa 1329 (nach Schuberth) die wichtigste Zollstätte auf dem rechten Elbufer. Boritz aber verlor seine Durchganszölle an Großenhain.

     Allen Städten, die an der Hohen Straße lagen und dieserStraße ihren Wohlstand verdankten, war selbstverständlich sehr viel daran gelegen, daß die Fuhrleute auch diese Straße einhielten. Denn schon sehr früh finden wir, dass die Fuhrleute gern andere Straßen einschlugen, daß sich Nebenstraßen der alten Hohen Straße einbürgerten, und daß man die Städte gern umging, um die Abgaben und Zölle und die Niederlagsrechte zu meiden. So kam schon zeitig die Gewohnheit auf, von Oschatz nicht nach Boritz zu fahren, sondern in Strehla überzusetzten und über Glaubitz nach Großenhain zu fahren. Wenn es ging, entwischte man aber auch über Streumen, Ortrand usw. So wissen wir, dass der Großenhainer Geleitsmann mehrfach Auskneifer aufgriff, nach Großenhain einbrachte und sie mit hoher Buße belegte. Dass die Straße über Strehla sogar einige Zeit lang fast ausschließlich benutzt wurde, lag teils daran, dass der Boritzer Übergang oft über- schwemmt war und versumpfte, teils daran, dass hier die Pest schrecklich hauste.

     Ja, es muss in unserer Heimat sogar einen dritten Elbübergang und zwar bei Moritz gegeben haben, da auch Beigeleite zu Moritz  in der aus dem Jahre 1462  stammenden Geleitsordnung vorkommen. Auch in Riesa wurde später übergesetzt. In diesem Erlasse wurde bestimmt, dass „alle großen Wagen, welche von Breslau, Liegwitz, Schweidnitz und aus anderen Teilen Schlesiens kommen, sollen über Görlitz, Bautzen, Kamenz und alle Hinterstädte mit allem Gut, es sei Zentnergut oder was es sei, durch den Hain hin und zurück fahren und dabei Niederlage und Wagegeld entrichten, weiter aber, wenn sie wollen, über Oschatz gehen, wie vor Alters gewesen und Herkommen ist. Alle Salzwagen der Hinterstädte Schlesiens und vom Oberlande (Oberlausitz) sollen hin und zurück den Hayn berühren, und indem wir (der Landesfürst) Beigeleite auch in Merschwitz und in Riesa, sowie auch das Geleit in der Stadt erheben, soll diese Wegegeld nehmen, und zwar von den unsrigen, sie mögen fahren wohin sie wollen… (es sollen aber alle anderen Linien und Fähren untersagt sein), wenn sie Werfische (eingesalzene Fische), Heringe, Honig oder was sonst in Tonnen versandt wird, führen und in Hayn Niederlage halten – von einer Tonne ½ Groschen und den Lohn für die Knechte“.  1462 meldete der Geleitsmann von Großenhain, Jürgen Klitzscher, dass das Gebot der Befahrung in Breslau und an zwei Meßtagen in Leipzig bekannt gemacht worden sei.

     Mehr als alle Gesetzte und Drohungen förderten den Verkehrauf der Hohen Straße die Einrichtung der Jahrmärkte, Wollmärkte und des Niederlagsrechtes der Städte an der Hohen Straße. Dann zogen durch unser Boritz und Merschwitz besonders viel der hochgeladenen Planwagen mit ihren Schätzen, wenn Markttag war. Großenhain erhielt seinen ersten Jahrmarkt 1390 am Sonntag nach Fronleichnam; der aber 1425 auf den Sonntag verlegt wurde, „als man in der heiligen Kirche singt Okuli“. 1474 erhielt Großenhain einen zweiten Jahrmarkt. 1445 erhielt es das wichtige Niederlagsrecht für Waid (ein thüringisches Färberkraut) und 1498 das Privileg des Waidhandels, der durch landesfürstlichen Erlaß von Görlitz nach Großenhain förmlich verlegt wurde (Schuberths Chronik, Seite 354). Dazu kam noch die Errichtung zweier Wollmärkte anno 1501. So stand der Verkehr auf diesem Teile unserer Hohen Straße um 1500 auf der Höhe, besonders dadurch, daß damals von den Landesherren sichere Geleite eingeführt wurden. Damals gehörte Senftenberg noch zum Herzogtum Sachsen und der energische Geleitsmann von Großenhain, Jürge Klitzscher, ließ 1471 durch den herzoglichen Geleitsmann von Senftenberg und Herzberg alle Fuhrleute zwingen, von der Niederstraße abzulassen und über den Hayn zu fahren (Schuberth, Seite 355). 1488 kam es zu einem förmlichen Streite zwischen der Herzoglichen und der Kursächsischen Linie wegen der alten Straße, weil der Großenhainer Geleitsmann wieder Fuhrleute, die von Queis aus die Niederstraße fuhren, mit „Kummer“ belegt hatte. In den nächsten Jahren erhob der Kurfürst wiederum Beschwerden, daß die herzoglichen Amtleute die Fuhrleute mit Gewalt zwingen, seine Straßen zu meiden, sodaß diese ganz „unbebauet“ blieben und seine Geleite ganz niedergelegt würden (Schuberth, Seite 175) „Wenn nun ein Kaufmann wissentlich oder unwissentlich von der alten Straße abweicht oder von der Berührung der Stadt Hayn, soll unser Amtsmann zum Hayn mitsamt dem Rathe dasebst ein getreulich Uffsehn haben uff solche Überfahrer und Entzieher des Geleites und  Zolles auch Gerechtigkeit der Unsern zum Hayn“. Dadurch nahm damals der Straßenverkehr zu, daß die Landesherren sich der Straßen und vor allem ihrer Sicherheit, sehr annahmen.

     Vater August (1553-86) ließ die Hohe Straße (via regia) durch Gräben und Dämme verbessern und führte neue Geleite ein zum Schutze der Reisenden. Trotzdem war auch damals die Sicherheit der Straßen nicht sehr groß. Denn nach Kriegszeiten streifte überall verwildertes Volk umher. Ja, sogar vornehme Herren und Ritter beteiligten sich am Straßenraube. So wissen wir, dass Dietrich der Beträngte (1197 – 1221) die Schlösser zu Seußlitz und Kalkreuth zerstörte, weil deren Besitzer die Straßen beunruhigten; und von 1510 – 1516 haben die Lausitzer Städte eine lange Fehde mit ritterlichen Straßenräubern gehabt. Weil diese Fehde ein Bild der damaligen Kulturverhältnisse gibt und uns manches über die Hohe Straße noch mitteilt, soll sie jetzt kurz angeführt werden:

     „1510 überfiel ein Heinrich von Kragen mit Genossen, zehn Pferde stark einen Wagenzug bei Bunzlau, der mit Sammet, gelbem Damast, rotem Atlas, Seidenzeug, Scharlachtuch, Federschmuck, Fuchspelz, Kleidern, Perlen, silbernen und goldenen Gefäßen und 2 Silberbarren beladen war im Werte von 13 000 Gulden. -Der Raub wurde verteilt und geborgen. Die Straßenplenker spürte man bei Caspar von Rottwitz in der Nähe von Zittau auf. Zwar Kragen entfloh den Knechten des Görlitzer Rates ,Rottwitz aber wurde auf die Folter gespannt, beschrien und am 12. Juli 1510 in Görlitz enthauptet.  

    Nun sagten Kragen und viele Ritter der Stadt Görlitz Fehde an, sodaß nunmehr Görlitz 70, Bauzen 40 Reiter zum Schutze der Straßen stets auf den Beinen haben mußten. Man setzte 300 Gulden auf Kragen, 200 auf seine Gesellen.

     Da wurde 1512 auf dem Wege zur Ostermesse 21 Wagen der Oberlausitzer Städte beinahe wieder überfallen, wenn nicht ein so starkes Geleit die Räuber abgehalten hätte. Aus Zorn brannten sie zwei Kamenzer Ratsgüter nieder, überfielen zwei Kamenzer Bürger auf der Jagd, bestrickten sie mit Eiden und ließen sie nur gegen hohes Lösegeld frei, das sie nach einem Dorfe bringen mußten. Sie drohten, die Kamenzer und Bautzner Vorstädte „abzubrühen! Und die Görlitzer Heide niederzubrennen.

     Einmal schickten sie einen Kundschafter nach Hayn, wann die Wagen abgingen. Bei Königsbrück legten sie sich in den Hinterhalt und schickten frech zum Burggrafen Jone von Dohna, er solle sich der Sache nicht annehmen und Verhinderung tun, sonst würden sie ihm das Städtlein abbrennen. Da ließ er´s geschehen, daß die Placker die Wagen mit Sammet, Mechler Tuchen, Seide, Pelzwaren usw. aufschlugen und beraubten. Niemand wagte, gegen diesen mächtigen Mann klagbar zu werden.

     Endlich, nach vielen Vorstellungen, gab Herzog Georg Erlaubnis auszuliefern. Da fand man zwei Räuber beim Amtmann von Senftenberg, und als die Bautzner erschienen, sie zu verhaften, leugnete er ihre Anwesenheit und ließ sie entwischen und verweigerte, als man sie einfing, ihre Annahme.

     Die anderen Räuber wurden später gefangen, als sie das Dorf Putzgau bei Bischofswerda überfielen. Bauern mit Gabeln und Spießen halfen. Drei Bauern, ein böhmischer Edelmann tot, Georg von Ragewitz, Jakob von Köckritz verwundet, Hans von Max auf der Flucht gefangen. Man brachte wie nach Dresden, wo sie am 31. Januar 1516 durch den Bautzner Scharfrichter enthauptet wurden.“

     Wir sehen schon daraus, wie unsicher damals noch die Straßen waren, welche große Gewalt die Ritter hatten und wie schwer es den Kaufleuten wurde, gegen sie aufzukommen.

 

[ Teil 2 ]     In der Zeit der Markgrafen wurden Schanzen angelegt, in denen die Reisenden übernachteten. Solche Straßenschanzen finden sich heute noch. Vielleicht hat die Leckwitzer Schanze, die allerdings aus der indogermanischen Zeit stammt und später Schwedenschanze genannt wurde, auch diesen Zwecken gedient? Teils Bauern, teils markgräfliche Mannschaften wachten darin. Später lösten sich die Bauern durch Lieferung von Wachtkorn ab. Unter Heinrich IV. war der Schutz der Hohen Straße den Bischöfen von Naumburg anvertraut. Als später unter Kurfürst August die Geleite aufkamen, hatte auch Merschwitz ein „Beigeleit“. Dies war, ebenso wie das zu Grödel und Paulsmühle, dem Großenhainer Geleitsmanne unterstellt. Es gab eine vorgeschriebene Geleitsordnung, die die Abgaben bis ins einzelne bestimmte. Diese richteten sich nach der Ladung, ob es ein „geleuster“ Wagen, d.i. ein mit Leisten versehener, ob mit voller Ladung, ob mit 6. 8. 9. Pferden bespannt, oder ein kleiner mit 3 bis 5 Pferden. Das „hanische“ Geleit war 2 Groschen für das Pferd, ausgenommen die Bauernpferde und die Fuhrleute, denen die Wagen nicht gehörten. Auch wenn sie leer gingen, zahlten sie nichts. (Schubert, Seite 176).       Um und nach 1500 hatte die Hohe Straße die größte Blütezeit. Schon Mitte des 16. Jahrhunderts begann der Verkehr abzuflauen, weil die Neigung vom Queis aus die Niedersstraße zu benutzen, immer mehr sich durchsetzte. Ja, es bildete sich damals eine zweite Niederstraße aus, die von der Niederlausitz aus nicht über Torgau, Eilenburg nach Leipzig, sondern nach Magdeburg ging. Ferner wurde Dresden immer größer und zog den Verkehr von der Lausitz über diesen Straßenknotenpunkt. Viel Abbruch taten der Hohen Straße auch die räuberischen Horden der Hussisten. Aber auch die Pest schadeten ihr sehr, sodaß manche Strecken aus Furcht vor ihr nicht „bebaut“ wurden. Hier gibt uns die Kirchenchronik von Boritz manchen Aufschluss, ebenso die von Großenhain. 1611. 16. 26. 36. 80 waren schreckliche Pestjahre. In den Kirchenbüchern von Boritz ist zu lesen, daß hier 1637 an der Pest 266 Personen starben, dagegen 1615 nur 6, 1646 nur 8, 1648 nur 9 Personen. Schon vom Jahre 1632 melden sie einzelne Peststfälle, aber vom Jahre 1637 heißt es: „wird tot aufgefunden“, „wird im Garten begraben“ und „überdies sind noch viele fremde Leute sonderlich zu Niederlommatzsch, dahin sie gewiesen, gestorben, die nicht auf dem Kirchhof begraben, auch nicht angemeldet und sodann auch nicht eingeschriebenworden sind“. Als 1888 der Turm von Boritz neu gebaut wurde, fand man große Massengräber außerhalb desselben und innerhalb die Gebeine der Domherren von Meißen. Die Pfarrakten von Merschwitz melden, daß Pastor Oelschlägel und die Lehrer an der Pest starben (1680). Der Superintendent von Großenhain beauftragte den Pfarrer von Riesa als pastor pestilentialis, welcher aber nicht kam. Kein Wunder, daß die Hohe Straße litt, daß man andere Straßen einschlug, bei anderen Fähren übersetzte. Was nützten da später alle Gesetze, aller Zwang!

     1684 hatte der Kurfürst Georg von Sachsen den Bann von „der bezüglichen Strecken der Hohen Straße genommen, weil die leidige Kontagion nicht mehr zu fürchten sei“.

     Endlich aber mußte die immer regere Benutzung der Elbe als Verkehrsader das Leben auf der Hohen Straße fort und fort benachteiligen. Interessant ist der Kampf zwischen Elbe und Straße, der schon in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts beginnt und erst im 19. Jahrhundert beendet wurde. Sogar die Oder tat der Hohen Straße einst mächtigen Abbruch; denn Breslau und Frankfurt, die das Niederlagsrecht hatten, wollten die Waren aus Schlesien und Polen auf der Oder und über See gen Brabant und Welschland bringen und nicht per Achse auf der Hohen Straße, doch der Herzog Georg von Sachsen, die Sechstädte und Leipzig verhinderten das. Leipzig und seine Kaufleute waren lange die erbittersten Gegner der Elbschifffahrt, die oft angeregt worden ist. Weil sie aber nicht durchsetzen konnten, daß die Schifffahrt auf der Oder unterblieb (als Schlesien preußisch geworden war), so gaben sie sich alle Mühe, das Aufkommen der Elbschifffahrt zu verhindern, gestatteten zuerst nur den Handel mit Holz (Pirna Niederlage), später mit Nahrungsmitteln (Magdeburg und Dresden Getreide, Merschwitz Salz). Den letzten und sicheren Todesstoß aber gab der Hohen Straße der Bau der Leipzig-Dresdener Eisenbahn, die 1839 in Betrieb gesetzt wurde.

     Der Verkehr auf dem Stück Hohe Straße von Merschwitz bis Großenhain war aber schon vor 1800 eingegangen. (Man fuhr über Strehla, die alte Poststraße nach Coßdorf, Eilenburg, Torgau). Das östliche Stück bis Quersa hat noch bis 1839 in Benutzung gestanden.

     Nun sei über die Fähre selbst (zwischen Boritz-Merschwitz) berichtet. Urkundlich kommt sie bereits 1335 vor. Das schließt aber nicht aus, daß schon lange zuvor schon ein regelrechter Fährenverkehr bestand. Sie ist gewiß so alt die die Straße. Ehedem gehörte die Fähre dem Kloster Seußlitz, durch dessen Aufhebung (1540) kam sie an den Landesherrn. So war sie Eigentum des Staates, und sie war sehr einträglich; denn bis 800 Taler und mehr wurden Pacht gegeben. Zuletzt stand sie unter dem Kreisamt Meißen, Dorf und Rittergut Merschwitz aber unter dem Justizamt Hayn.

     Einst war sie eine freie Fähre, in alten Zeiten gewiß nur ein Floß. Mit Bundstaken und Stricken wurde das flache Gefährt, der Käffer, hinübergestakt. Später hing sie an einer Kette, die quer durch den Strom lag.  Als 1868 die große Kette aufkam, wurde eine fliegende Fähre eingerichtet. Im Winter wurde auch über das Eis gefahren, in dem vorn an der Deichsel die Pferde angespannt wurden. Da wissen die alten Leute heute noch zu erzählen, wie einst ein mit eisernen Töpfen beladener Wagen einbrach, und wie man mit Mühe den Wagen hob und tagelang nach den Töpfen fischte. Manche Bauern der Umgegend haben jetzt noch freie Überfahrt. Diese Rechte stammen aus der Zeit der Frondienste. Eine große Reihe von Fährmeistern, die einst 3, 4 und mehr Fährknechte hielten, hat die Fähre gehabt. Doch leider hat keiner etwas aufgeschrieben, höchstes den Wasserstand.

     Eng mit der Hohen Straße und dem Übergange verbunden ist die Geschichte der beiden Dörfer Boritz und Merschwitz. Wenn man auch nicht behaupten kann, daß Boritz die älteste Gemeinde ist, so ist sie doch die berühmteste Siedlung. Wir wissen, daß hier eine Burgwart gestanden. Sie ist sicher zum Schutze eines schon damals gebräuchlichen Überganges angelegt worden. Vielleicht war damals schon rechts und links der Elbe ein sorbisches Dorf vorhanden. Vielleicht haben schon indogermanische Ansiedelungen hier gestanden. Zwar sind nicht unmittelbar am Übergange, aber unweit desselben in Schänitz und Naundörfchen und an der Schanze bei Leckwitz sind indogermanische Urnenfelder ausgegraben worden. Wo die Burgwarte stand ist nicht bestimmt. Man kann wohl annehmen, auf der Höhe über Gosa, dort wo die Ruine steht, die 1810 der Graf Gleis von Looß erbauen ließ. Denn nach der Boritzer Kirchenchronik soll man dabei auf uralte Mauern und Mörtel gestoßen sein. Auch Hirschstein ist Burgwarte gewesen. Nach Märker (Burggraf von Meißen) soll Hirschstein gleichzeitig mit Boritz gegründet sein. Da beide Burgwarten aber kaum 10 Minuten auseinander gestanden hätten, ist wohl anzunehmen, daß Boritz in der Zeit der Poleneinfälle vernichtet wurde, und die Burgwarte wurde auf dem vorteilhafteren, steilen und jäh zur Elbe abfallenden Felsen oberhalb derselben errichtet. In Boritz, bez. Gosa, soll einst ein markgräfliches Jagdgut gewesen sein, das bis 1608  als Vorwerk (das Dezemhaus von Boritz oder Schutthaus) bestanden haben soll, und dessen Felder an das Stift zu Meißen kamen, deren Renten 1841 mit von der Gemeinde Boritz abgelöst wurden. Aus Boritz, nimmt man an, stamme auch ein altes ausgestorbenes Geschlecht – vielleicht aus den alten Burggrafen und Vögten (advocati) hervorgegangen. 1241 tritt ein Johann von Boris, ein Konrad von Borus als Stiftsküster von Meißen auf. Urkundlich steht aber folgendes fest:

     983 schenkte Otto II. alle Zehnten im Burgwart Boris an Getreide, Vieh, Geld , Kleider, Honig und Pelzwerk dem Meißner Stifte.

     1065 erhielt das Stift zu Naumburg die Burgwarte Strehla und Boris, wobei als Einkünfte das mercatum und theloneum aufgeführt werden.

     1269 ist Boritz wieder mit Meißen verbunden, indem der Domprobst von Meißen Patron der Kirche und Kollator des Pfarrers ist. Bis heute ist Boritz so mit Meißen verbunden. Einige Domherren von Meißen liegen auch unter der Boritzer Kirche begraben.

Ehedem ist Boritz ein mächtiger Ort gewesen. Denn er hatte sogar eigne Obergericht über Hals und Kopf. 1767 wurde hier die Giftmischerin Johanne Regine Günther aus Löthain, die 50 Personen umgebracht haben soll, gerichtet.

Merschwitz hat früher bei weitem nicht die Rolle gespielt wie Boritz. Nach seinem Namen (meres= Berg, germ. vicz =Dorf,slaw.) wird es aus einer sorbischen Ansiedelung hervorgegangen sein.

     1185 wurde in Kolmnitz b. Freiberg eine Versammlung gehalten. Dabei treten als Zeugen auf Sifiridus v. Mülbuz, Hermann von Hagen, Tamno v. Strehla, Reinh. V. Scachawa und Friedrich von Marus. Das Geschlecht derer von Marus hat Strießen besessen, sollte es seinen Namen von Merschwitz haben? Dann wäre dies die erste Kunde von unserem Dorfe. Doch das ist gewiß, daß hier ein Rittergutsvorwerk von Seuslitz war. Aus der Kapelle des Vorwerkes entstand unsere Kirche, die 1765 und 1805 abbrannte. Als 1540 die Visitatoren das Nonnenkloster zu Seußlitz aufhoben, übertrugen sie das geistliche Hirtenamt über Seußlitz dem Pfarrer von Merschwitz, um dessen Einkommen aufzubessern. So ist, wie Boritz mit Meißen, Merschwitz mit Seußlitz verbunden. (Kollatur und Patronat kamen aber später an die Besitzer von Merschwitz.)

     1567 wurde auf vormundschaftlichen Antrag das Vorwerk Merschwitz zu einem selbständigen Rittergute, das später eigne Patrimonialgerichte hatte. Eine Nebenlinie der berühmten Familie von Pistorius  hat auch Merschwitz besessen. (Epitaphium in der Kirche.)

     Doch im Laufe der Zeiten entwickelten sich beide Dörfer verschieden. Merschwitz war infolge seines günstigen Ufers Niederlagsort. 1725 war Merschwitz die Salzniederlage für Großenhain und die ganze Gegend. (Schubert Seite 360.) Die Merschwitzer Salzstube war im sog. „Jungfernstübchen“ Nr. 46. Bis in die 40er Jahre des 19. Jahrhunderts war Merschwitz Sandsteinniederlage. Alle Mühlen der Umgegend bezogen von Merschwitz ihre Steine. (Chronik von Glaubitz, Seite 96.) Heute ist es Holzniederlage.

 

[Teil 3]   Die Merschwitzer Einwohner waren noch vor 25 Jahren vor Erbauung der Nünchritzer Fabrik fast durchweg Schiffer und befuhren als Steuermann, Haupter und Bootsmann die Elbe. Auch war einst Merschwitz der Haupt- und Sammelort der Bometscher, die von Nünchritz oder Boritz bis über die rauhe Furth die Schiffe aufwärts treckten.

     Boritz dagegen hatte einst durch die Hohe Straße Größe und Ansehen erhalten. Die Entwicklung der Schifffahrt berührte es nicht, da seine Ufer zu flach sind und oft überschwemmt wurden. Darum bestellen die Boritzer immer noch wie ihre Väter und Urväter das fruchtbare Land, das ihnen der Heimatstrom anschwemmte.

     Viel haben im Laufe der Zeiten die beiden Dörfer gesehen und erlebt. Nicht nur friedliche Handelsleute und allerlei fahrendes Volk und Zigeuner setzten hier über und zogen die alte Straße, auch rohes Kriegsvolk ging hier über die Elbe und brachte die Einwohner in große Angst und Not.

     1004 sammelte Heinrich II. hier Schiffe, und setzt zum Scheine über, um auf der Hohen Straße nach Schlesien und Polen zu ziehen; aber er zog plötzlich  nach Böhmen, überraschte und schlug seinen Feind, den Polenkönig Boleslaw. (Kirchengalerie Boritz, Seite 5.)

     Schon zur Zeit der Völkerwanderung, und als die Wallfahrten zum Grabe des heiligen Adalbert von Gnesen unternommen wurden, mag hier mancher Haufe von Fahrenden übergesetzt sein. (Schubert, Seite 320.) 1430 kamen die Hussiten hierher. Sie beraubten und verbrannten das reiche Kloster Seußlitz, daß die Nonnen gezwungen waren, betteln zu gehen. Sie suchten auch Großenhain heim und haben noch lange die Hohe Straße unsicher gemacht.

     Vielleicht ist auch im Schmalkaldischen Kriege 1547 der Uebergang von Merschwitz benutzt worden. Es ist auch nichts überliefert, ob und wann und wieviel und welche Truppen im Dreißigjährigen Kriege hier übersetzten. Doch es werden sich oft schwedische Reiter hier gezeigt haben, als 1637 vom Februar bis in den März Banner und 1642 Torstenson vom September bis zum Dezember vergeblich Großenhain belagerten.

     Im Nordischen Kriege zogen die Schweden unter Karl XII. von Görlitz über Bautzen, Meißen, Grimma nach Leipzig. Vielleicht sind damals auch Teile über Großenhain, Merschwitz, Oschatz gegangen.

     Aber das ist sicher, daß etliche Regimenter und Friedrich II. 1762 hier übersetzten. Friedrich der Große kam nach der Schlacht bei Burkersdorf (21. Juli)  am 29. Oktober in Großenhain an, wo er beinahe am Wildenhainer Tor erschossen worden wäre. Dann berichtet die Großenhainer Chronik: „Die Preußen hausten drei Tage fürchterlich in der Stadt und auf den Dörfern und nahmen den Leuten Vieh und Getreide weg. Das Gleiche geschah auch, nachdem das Heer bereits bei Merschwitz über die Elbe gegangen war, durch Husaren, welche Tag und Nacht umherstreiften.“

     1806 kamen hier Verwundete und Versprengte durch, die von Jena, Leipzig, Grimma, Oschatz kamen und in Großenhain Verpflegung fanden.

Und 1813 sind hier mehrmals kleinere Abteilungen übergesetzt. Am 26. März gingen die Russen hier zum ersten Male über die Elbe, und am 28. August ist es hier zu einem regelrechten Gefechte gekommen.  Sogar Kanonen donnerten herüber und hinüber. Die französischen Kanonen standen auf dem roten Berge unter Merschwitz (Krähenhütte, wo man mit Hilfe eines Uhus Krähen abschoß), die der Oesterreicher auf der Anhöhe bei Gosa. So hat man noch vor 40 Jahren auf dem roten Berge beim Waldausroden viele Stückkugeln, verrostete Säbel und Gewehrläufe gefunden, und drüben im Gosa ist noch heute an einem Hause eine Kanonenkugel zu sehen, die an einer Kette hängt. Daneben liest man die Inschrift: Franzosen haben diese Kugel von jenseits der Elbe an dieses Haus geschossen den 28. August 1813.

     Über die Ereignisse des Jahres 1813 hier an diesem Uebergange hat der damalige Pfarrer Kretschmar in den Merschwitzer Pfarrakten Aufzeichnungen gemacht:

     „Im Monat Februar und März hatten die Bayern das jenseitige Ufer besetzt. Die Geschirre und die Fähre wurden versenkt. Den 25. März setzten nachts oben über Diesbar, im sogenannten Gänsewinkel, die Kosaken unter Orlof über. Den 26. März abends bekamen wir die Kosaken, einen Kapitän mit 7 Mann, zur Einquartierung. Die rückten nachts 11 Uhr wieder los, und um 1. Uhr kam ein Durchzug nach dem anderen und das Dorf war voll den 28. Früh, am Sonntag Lätare rückten sie aus, um 10 Uhr kamen an ihre Stelle russische Ulanen.

     Der General Knossini mit 2 Adjutanten und 30 Mann wurden vom 28.-30. März abends um 5 Uhr auf der Pfarre einquartiert. Da hatten wir keinen Stuhl, keinen Tisch und kein Bette, keine Stube für uns. Brot, Butter Brandwein und Bier wurden aus den benachbarten Dörfern herbeigeholt und in der Sakristei ausgeteilt.

     Am 26. April kamen russische Pulverwagen mit Kosakenbegleitung durch.

Den 2. Mai war eine Schlacht bei Lützen, darnach zogen sich Russen und Preußen bis hinter Dresden über die Elbe zurück. Wir hatten damals ein Kosakenlager auf herrschaftlichem Felde, unserm Pfarrgarten gegenüber vom 8.-12. Mai. Da holten sie täglich bei uns Holz und verbranntes es im Lager. Nach der Schlacht bei Bautzen war Waffenstillstand vom 1. Juni bis Ende August.

     In diesen Monaten hatten wir den ganzen Sommer über Chasseurs. In der Pfarre hatten 3 französische Wachtmeister in der Zeit gelegen. Da war stets Fourage, Klee, Haber, Heu, Brot Fleisch zu schaffen. Ein Amtsbote nach dem andern brachte Requisitionen.

Gegen Ende August gingen die Feindseligkeiten von neuem los. Die Franzosen lagen in den umliegenden Dörfern, die sie ausplünderten, so Skassa, Naundorf, Weßnitz.

     Bei Großraschütz und Weißig waren französische Biwaks. Dadurch wurden die Dörfer Goltzscha, Leckwitz, Naundörfchen, Neuseuslitz, Zotterwitz, Blattersleben sehr geängstigt. Bei uns war es leidlich.

     Am 28. August setzten die Kosaken von jener auf unsere Seite durch Schwimmen der Pferde über. Unter der Herrenhofmauer auf dem Hosefeld postierten sie sich, ohngefähr 200 Mann. Die österreichischen Husaren blieben auf jener Seite, bis mittags 2 Uhr die Franzosen aus Großenhain und den umliegenden Dörfern mit Kanonen ankamen, worauf sie hinüberschossen. Sie schossen zwar mit Flintenkugeln herüber, dergleichen auch in Schnabels Garten flogen. Sie hielten sich aber nicht, weil es nur ein Rekognoszierungskorps war. Aber die Franzosen waren erbittert darüber, daß sie (die Kosaken) die Schiffe, in denen die Wittenberger Bibliothek nach Dresden transportiert werden sollte, die eben die Kosaken bei Leipzig weggenommen hatten, - und auf welchen sie hier bei Merschwitz übergesetzt waren, noch um 3 zwischen Herrschaft und Häusern verbrannten, - und auch abends um 9 Uhr den Herrenhof ansteckten, auch etliche Scheunen und die Schäferei abbrannten, Kirche und Pfarre in große Gefahrsetzten, welche der Herr der Heerscharen gnädig abwendete, beide mächtiglich beschützt und erhielt.

     Auch bei der französischen Retirade, den 17., 18., 19. September, wurden wir zwar fouragiert, aber nicht geplündert. Den 21. September nahmen die Franzosen unsere beiden Pferde und Wagen. Den 26. September nachmittags 3 Uhr flüchteten die französischen Chasseurs mit blutigen Köpfen durch Dorf, welche mit den Kosaken unten in den Hölzern scharmuzieret hatten.

     Als aber alles in Furcht war, daß sie morgen wieder fouragieren kämen und alles vollends aufräumen würden, seitdem ist kein Franzose bei uns gesehen worden.“

     Das erlebte Merschwitz im Jahre 1813, von Boritz ist wahrscheinlich nichts aufgezeichnet worden. Dort aber haben die Franzosen sich auch gewalttätig und frech betragen. Das meldet ein Leichenstein auf dem Boritzer Friedhofe, dessen Inschrift lautet:

„Gottfried Troge, Halbhufner in Niederlommatsch, von der Kugel eines raubsüchtigen Kriegers getroffen, sank hin in der Blüte männlicher Kraft . . . am Tage Michaelis 1813, seines Alters 27 Jahre alt, 11 Monate.“

     Im Kriegsjahr 1866 sind hier Truppen nicht übergesetzt, da die Preußen beiderseits längs der Elbe entlang marschierten. Aber die Alten von Merschwitz wissen noch zu erzählen, wie die ersten Preußen hier ankamen, kurz nachdem der Dampfer mit Volldampf vorbei war, der die Pioniere trug, die die alte Elbbrücke bei Riesa gesprengt hatten. Kurze Zeit darnach schwammen schon die hölzernen Trümmer stromab. Die Preußen aber konfiszierten die Fähre und sämtliche Kähne und schleppten sie nach Riesa.

     Als darnach lange Reihen von Bauernwagen, die Fourage für die Preußen gefahren hatten, hier ankamen – sie wollten nach Lommatsch -, mußten sie auseinandergenommen und auf den kleinen Schluppen übergesetzt werden.

     Gar manches Interessante hat sich wohl noch im Laufe der Jahrhunderte hier zugetragen. Doch ist eben nur wenig überliefert worden. Hätten alle die Fährmeister Tagebuch geschrieben, es müßte eine dicke und interessante Chronik sein.