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Alte Fähren bei Riesa
von Eberhard Schmieder
In: Aus der Heimat - Beilage zum Großenhainer Tageblatt, September 1933, S. 35
In den Jahrunderten, in denen unsere Heimat von unseren Vorfahren besiedelt wurde, in denen die Sorben wieder nach Osten zu aus unseren Gebieten herausgedrängt wurden, gab es schon ganz bestimmte Stellen an den Ufern der Elbe, von denen aus man den Strom zu überqueren pflegte. Alte Straßen, wahrscheinlich Jahrtausende alte Salzstraßen, schnitten hier den Fluß. Damals und bis in das 19.Jahrhundert hinein war die Elbe noch nicht in ihr heutiges kanalartiges Bett eingezwängt, sie floss träge dahin, verzweigt in viele Arme, umschlossen von breiten sumpfigen Ufern, die es oft recht schwer machten, an den Strom hinanzukommen, um ihn dann auf einer Furt oder Fähre zu überqueren.
Nur bei Meißen war der Übergang bequem zu erreichen, da dicht am Ufer ein Granitfelsen (Burgfelsen) sich aufreckte, erhöhte Flächen bis hart an das Ufer traten. Die Furt bz. Fährstelle lag in der Nähe der späteren Straßenbrücke und zog sich abwärts hin bis zur Fischergasse. Unterhalb dieses Überganges schnitten bis zur heutigen Landesgrenze hin mehrere Straßenzüge die Elbe, bei Boritz/Merschwitz, bei Riesa und bei Strehla/Lorenzkirchen.
Weitaus die Mehrzahl der Fuhrleute aus der Lausitz, aus Böhmen, Schlesien und Polen, die auf der berühmten hohen Straße mit ihren schwerbeladenen Planwagen langsam vowärts kamen, ließen sich zwischen Boritz und Merschwitz über die Elbe setzen. Aber seit dem Ausgange des 16. Jahrhunderts zogen von Jahr zu Jahr immer weniger hier über den Strom, sie befuhren jetzt lieber die Straßen, die nicht mit einer sochen Fülle verschiedener Abgaben (Zölle, Wegegelder usw.) beschwert waren wie die hohe Straße. Der Merschwitzer Übergang verlor somit mehr und mehr an Bedeuteutn für Handel und Verkehr. Was für eine Menge Wagen warteten zu den Zeiten der Leipziger Messe einst in Merschwitz darauf, übergefahren zu werden. Schom im 17. Jahrhundert fehlte das laute Schelten und Antreiben der Fuhleute und Fährmänner. Andere Fährstellen hatten den Verkehr zu sich gezogen, besonders Riesa und Strehla.
Unterhalb von Boritz/Merschwitz fuhren auf kleinen Kahnfähren die Dörfler von Boritz/Ledwitz, von Nünchritz/Leutewitz über. In den Jahren 1750 bzw. 1713 werden diese Fähren erstmalig in alten Aktenstücken erwähnt. Eine Fähre, auf der Wagen übergefahren werden durften, setzte zwischen Moritz und dem Vorwerk Gohlis schon vor 1222 über die Elbe. Bis zu dem genannten Jahre gehörte sie einem Naumburger Lehnsmann.
Noch älter als die Morizter Fähre ist die bei Promnitz. Im Jahre 1197 verzichtete der Markgraf Konrad von Meißen auf sie, wahrscheinlich zugunsten der Kirche von Riesa. 1234 kaufte dann der Probst des Klosters Riesa die Fähre für 12 Mark Silber, vorher hatte der Bischof von Naumburg die Fähre für zwei Mark jährlich als Lehen ausgeteilt. Später gehörte die Fähre dem Besitzer des Rittergutes Promnitz (1818).
Wann in Riesa ein Fährbetrieb eingerichtet worden ist, lässt sich nicht sagen. Vielleicht war er überhaupt wegen der Promnitzer überflüssig. Im Jahre 1490 erhielt das Kloster Riesa von umliegenden Dörfern sog. Fährbrote und 2 Pf. Adventsgeld. Die Zinsleute genossen für diese Abgaben bestimmte Vergünstigungen auf der Fähre. Brote und Adventsgeld wurden 1540, nachdem das Kloster aufgehoben worden war, dem Kirchner von Riesa als Besoldung zugewiesen. Als 1533 ein Herr von Miltitz das Rittergut Riesa kaufte, erwarb er gleichzeitig die „wasser fehre uf der Elben mit ihrer gerechtigkeit und diensten“. Die Einwohner von Riesa, Poppitz und Mergendorf mussten bei der Fähre während der „eisfarten wann sie erfordert, darzu dienen und uf der fehre helfen. Darüber giebt man jedem des tages acht heunichen und vier fese“. Auch spätere Lehnbriefe über das Rittergut Riesa zeigen, dass an ihm eine Fährgerechtigkeit, ein Recht auf einen Fährbetrieb, hing (z.B. 1592 ff.). Nur wurde immer darum gestritten, was man übersetzen sollte. 1653 bestimmte ein Erlass der Regierung, dass nur die Wagen übergefahren werden durften, die feine polnische oder schlesische Fracht geladen hatten. 1667 bezweifelte der Amtmann von Oschatz, zu dessen Amtsbereich Riesa gehörte, überhaupt, dass Fuhrwerke in Riesa übergelassen werden könnten. Auch der Geleitsmann von Hain wollte 1727 keine fremden Wagen zulassen. Aber das Rittergut verteidigte sein Recht auf eine ordentliche Wagenfähre immer wieder mit Erfolg. 1818 hatte es seine Fähre für jährlich 80 Taler verpachtet. 1862 war das Pachtgelds auf 162 Taler gestiegen.
Heftige und jahrelange Streitereien führten auch die beiden Rittergüter Riesa und Promnitz wegen ihrer Fähren. Es kam so weit, dass sie sich gegenseitig ihre Fährgefäße, ihre Kähne pfändeten. Später ließen sie ihre Fähre wieder nebeneinander verkehren. Als 1839 die erste Elbbrücke gebaut worden war, wollte der Besitzer der Fähre eine Entschädigung für verloren gehende Einnahmen vom Staate haben. Er drang aber mit seinem Anspruche nicht durch. Noch bis 1847 ließ er die Wagenfähre übersetzen, später nur die Personenfähre. 1854 wurde die Wagenfähre vorübergehend wieder in Betrieb genommen, ebenso nach dem Einsturz der Elbbrücke 1876/79. Zu einer Einigung zwischen den beiden genannten Rittergütern ist es erst 1903 gekommen: Sie verpachteten seither ihre Fähren gemeinsam einem einzigen Fährmann, der im gleichen Jahre nach Riesa 100 M., nach Promnitz 36 M. jährlich zahlte.
Auch das Rittergut Gröba besaß eine Fähre, die außer für den Wirtschaftsbetrieb auch deshalb verkehren mußte, weil Bobersen und Lossa nach Gröba eingepfarrt waren. Nachdem die Riesaer Eisenbahnbrücke gleichzeitig als Straßenbrücke eingerichtet worden war, soll das Rittergut seine Fähre haben eingehen lassen. 1874 setzte wieder eine Kahnfähr über, 1912 ist dann die Färhrgerechtigkeit einem Einwohner von Bobersen vom sächsischen Fiskus verliehen worden.
Eine viel interessantere Geschichte hat erst wieder die Fähre zwischen Strehla und Lorenzkirchen. Nach einem Privileg des Klosters Riesa aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts muss sie schon damals regen Verkehr zu bewältigen gehabt haben. Wahrscheinlich lag die Färhgerechtigkeit seit 1065 in den Händen des Bischofs von Naumburg. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist die Fähre ausdrücklich für die Wagen, die auf die hohe Straße gehörten, verboten worden. Es handelte sich um Wagen, die mit verzollbaren Gütern aus Polen, Böhmen, der Lausitz oder aus Leipzig beladen waren. Betrieben wurde die Fähre von einem „Fehrmann zu Lorenzkirchen“, der dem Besitzer des Schlosses Zabeltitz jährlich „von der fehre zu Strehlen 30 Groschen und zwei Pfund Pfeffer“ zu liefern hatte (1524). Noch 1824 mussten diese Abgaben geleistet werden. Die Lehnshoheit über die Fähre lag bei der Schlossherrschaft zu Strehla. Die Gerechtigkeit selbst, das Recht, die Fähre gewerbsmäßig zu betreiben, hing jetzt an zwei sog. Fährgütern, wie aus den Kaufkontrakten über sie, von von denen das eine in Strehla, das andere in Lorenzkirchen lag, hervorgeht. 1675 heißt es in einem Aktenstück: Die Gerechtigkeit sei eine „uhralte zu deren beyden fehrgütern gehörige, von ihren vorfahren erworbene“ und nun auf die Nachkommen übertragene Erbfähre. Wenige Jahrzehnte später löste sich jedoch die Fährgerechtikeit von den Fährgütern ab. 1713 kaufte ein Graf von Werthern den Fähranteil des einen Gutes für 2440 Gulden, 1719 den des anderen Gutes für 2420 Gulden. 1746 erwarb dann der Bürgermeister von Strehla die Fähre, er musste dem Rittergutsbesitzer und dessen Dienstleuten freie Überfahrt gewähren. Wagen und Kahnfähre hatten bisher immer zusammengehört, seit 1795 wurden sie aber getrennt verpachtet, seit 1882 hatten sie auch verschiedene Besitzer. Welchen Verkehr die Strehlaer Fähre schon in früheren Jahrhunderten zu bewältigen hatte, zeigt eine Nachricht aus dem Jahre 1716, in der es heißt, dass eine „starke Passage … nach der Lausitz, nach Polen, Siebenbürgen, Moldau und Walachei“ über Strehla führe. Namentlich zu den Zeiten der Leipziger Messen kamen eine Menge Wagen und Kaufleute aus fernen Ländern hier vorüber.
Nur dem lokalen Verkehr dienten dagegen stets die beiden Kahnfähren, die noch auf der sächsischen Elbstrecke übersetzten. Schon vor 1610 war eine Fährgerechtigkeit auf ein kleines Gut, ein Viertelhufengut in Kreinitz ausgeliehen gegen einen jährlichen Erbzins von 5 Gulden 15 Groschen. Die Personenfähre bei Kaitzsch ist viel später notwendig geworden, von ihr heißt es 1836, dass „sie von ganz gerigem Belange sei“.