Aktuell   Verein   Veranstaltungen   Regionalgeschichte   Ökologie   Via Regia   Presse   Kontakt

 

 

Inhalt

Warum Jahnishausen Jahnishausen heißt              

Die Ritter von Schleinitz        

Wer waren die ersten Jahnishausener?                 

Waren die ersten Jahnishausener schon Sachsen?

Welche Sprachen sprach man in Jahnishausen?       

Wer hat die Sachsen nach Jahnishausen geholt?

Riesa in mittelalterlichem Dunkel                      

Meißen                                                            

Das Rittergut und seine Ritter                                

Die Ritter von Schleinitz in Jahnishausen             

Jahnishausen im Dreißigjährigen Krieg                           

Die Familie Kötteritz und der Kirchenbau in Jahnishausen

Freifrau von Reichenbach und ihr Wirken für Jahnishausen

Familie von Callenberg und der Concurs

Der zweite Kirchenbau des Herrn von Plötz                                                  

Jahnishausen um 1800                                

Prinz Johann und Jahnishausen                                

Jahnishausen in den letzten hundert Jahren (1900-2000)

Quellen                                                       

 

 

 

 

 

1) Schuhmann, August: Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen... Zwickau 1822

nach Oben

 

Warum Jahnishausen Jahnishausen heißt

Jahnishausen klingt anders als Nickritz, Pausitz, Ölsitz, Poppitz, Prausitz, Gostewitz, Calbitz, Groptitz... - Auf -itz enden um Jahnishausen herum die meisten Ortsnamen, wenn man einmal großzügig Böhlen, Mergendorf, Seerhausen oder Weida und Riesa übersehen will.

Wie uns die Onomatologen 2) glauben gemacht haben, sind die -itz-Namen sämtlich slawischer Herkunft. Daraus erkennt der kluge Kopf sofort, daß Jahnishausen eine Insel in einem Meer slawischer Namen darstellt. Und da müssen wohl auch Slawen da gewesen sein, die ihre Siedlungen mit slawischen Namen benannten. Das konnte ja wohl auch nicht anders sein, denn Slawen benennen ihre Umgebung nun einmal slawisch. Es ist wohl auch anzunehmen, daß seinerzeit die Slawen das Sagen hatten, und daß andere sich zu fügen hatten.

Aber mit der Insel, das stimmt nun wieder nicht, auch das heutige Jahnishausen hat bis vor fünfhundert Jahren einen -itz-Namen geführt. Die ältesten Überlieferungen, die auf das 13. Jahrhundert zurückgehen, belegen das:

      > Wachsmutitz   1274

      > Watswicz,     1334

      > Dazu auch: Watzwicz, Wacswicz;

      > Watschewitz   1378

      > Watzschwitz,  1389 Besitzer Bernhard von Canitz

      > Waszchewicz, Wagschewitz      1458

Halten wir also fest: Auch Jahnishausen war ursprünglich ein slawisches Dorf und hatte, wie das sein mußte, einen slawischen Namen. Aber es fällt schwer, die Herkunft dieses „Watzschwitz“ zu erkunden. Noch eine Erkenntnis ganz nebenbei: Die Orthographie hatte vor über 500 Jahren noch keiner erfunden. Und amtliche Formulierungen waren offensichtlich auch ziemlich variabel. - Waren das Zeiten! - Plausibel scheint zu sein, daß man es von dem Personennamen Vadek (auch altsorbisch Vad[e]c) herleiten kann. Und da hieße das etwa „Besitztum des Vadec“. Doch nichts weiß man von jenem Vadec. Er bleibt anonym im Dunkel der Geschichte. Man weiß ja damit auch nicht, wie lange der Ort nun dem Vadec gewidmet war und wann er den Namen tatsächlich erhalten hat. Und als historisch gebildete moderne Menschen wissen wir, daß es in jenen dunklen Zeiten einmal eine Völkerwanderung gegeben hat, was uns zumindest vermuten läßt, daß die Slawen auch nicht immer um Jahnishausen herum heimisch gewesen sein können, daß möglicherweise vor ihnen wieder andere Bewohner Jahnishausen ihre Heimat genannt haben.

Damit müssen wir, die wir‘s gern konkret hätten, uns begnügen! Bis auf weiteres wird uns das Mittelalter von Jahnishausen wohl im Dunkeln bleiben. - Anders ist es dann schon, wenn wir Jahnishausens Zeitstrahl in die andere Richtung, bis in unsere Gegenwart, betrachten:

1389 ist Bernhard von Canitz der mächtige Mann von Jahnishausen. Zieht man seinen Namen konkret heran, dann ist er von der Döllnitz über den Heideberg in den Jahna-Keppritz-Winkel gezogen, der Bernhard von Canitz. Ihm hat man den Ort noch nicht gewidmet. Vielleicht war er es, der mit anderen schlagkräftigen Burschen, die Watzschwitzer in die Wälder gejagt hat. Vielleicht war er auch friedlicher und einigte sich mit den Slawen, so daß Bernhard mit seinen Leuten und die Watzschwitzer einigermaßen zurecht kamen. Wir werden es wohl nicht für Watzschwitz genau in Erfahrung bringen können!

Wir wissen auch nicht, wie Watzschwitz an die Familie von Schleinitz gekommen ist. Ob sich die rauhbeinigen Gesellen damals friedlich über Eigentum an Boden einigen konnten, darüber müssen wir wohl eher Argwohn hegen. 1463 vererbt, darüber soll es Akten geben, Johann von Schleinitz Watzschwitz und Seerhausen an seinen vierten Sohn, der auch Johann von Schleinitz heißt. Und schließlich hat 1500 wieder ein Johann von Schleinitz Watzschwitz inne. Der zweite Johann hat wohl dem dritten die Herrschaft vererbt. Und dieser dritte Johann macht aus Jahnishausen, das bis dahin eher dem Vorwerk eines anderen Schleinitz-Anwesens glich, ein respektables Rittergut. Er, der Ritter Johann von Schleinitz!

Man weiß nicht, welche Eigenschaften der neue Schleinitz besaß. Er scheint es auf alle Fälle in nur wenigen Jahren geschafft zu haben, daß man von „Watzewicz iczunder Jhonshausen“ sprach, wenn man den Ort bezeichnete. Schon am 18. September 1503, das wollen Historiker irgendwo gelesen haben, stehe „Jahnshausen“ geschrieben. Das alte Watzschwitz ist schließlich 1555 zur Historie geworden. - Also hat Jahnishausen seither seinen Namen nach dem Johann von Schleinitz, der 1500 die Herrschaft übernommen hat und 1525 gestorben ist. Es sei noch charakterisierend erwähnt, daß Johann von Schleinitz Anhänger Luthers war und sogar dessen Rat einholte.

 

2)   Onomatologe: Namenkundler.

nach Oben

 

Die Ritter von Schleinitz

Besieht man sich’s genau, gäbe es ohne Schleinitz kein Jahnishausen:

1463 besitzt der erste Johann Schleinitz das Rittergut Jahnishausen. Er vererbt es an seine Nachkommen, die denselben Namen führen. Nach 1500 liefert der Name den Ortsnamen. Mit dem Tode des letzten Johann von Schleinitz, 1525, kann das Erben an die jeweiligen Söhne nicht mehr fortgesetzt werden, da der Namensgeber des Ortes keine „Leibeserben“ hat. Die Familie erbt daraufhin in Person des Bruders Dietrich von Schleinitz, dem Seerhausen gehört. Dort scheinen die Dietriche unter den Schleinitz‘ zu leben, denn Dietrich von Schleinitz vermacht schon drei Jahre später Jahnishausen an Dietrich von Schleinitz junior. Er ist der Neffe des Jahnishausener Johann. Als dieser Dietrich von Schleinitz junior in einer Schlacht bei Gotha fällt, fällt Jahnishausen nun schon wieder an dessen Sohn Dietrich von Schleinitz. 1588 stirbt nun dieser Dietrich von Schleinitz hochbetagt in Meißen und wird in der Familiengruft in der Kirche Pausitz beigesetzt, wo sich auch ein in Stein gemeißeltes Bildnis befindet.

Nun fällt Jahnishausen an einen Vetter des Verstorbenen. - Er war in Meißen gewesen und dort gestorben. Der Erbe ist Inspektor der Fürstenschule Sankt Afra in Meißen. Wie doch die Dinge so zusammenpassen! Der Erbe, das beruhigt, führt den Namen Dietrich von Schleinitz auf Hof und Bornitz (1545-1612). Ihm folgt, daran wird offenbar nicht gerüttelt, Dietrich von Schleinitz. Der stirbt 1637 und wird in Borna beigesetzt.

Inzwischen dauert der dreißigjährige Krieg schon das 19. Jahr. Jahnishausen wird von Plünderungen und Brandschatzungen heimgesucht. Kein Dietrich von Schleinitz ist mehr da, der dem Einhalt gebieten könnte! Wolf Dietrich von Schleinitz, der Jahnishausen 1638 von seinem in Borna beigesetzten Vater geerbt hat, besitzt kurzzeitig Jahnishausen und übergibt es Heinrich von Schleinitz auf Schieritz und Zehren. Aber der weiß sich offenbar nicht anders zu helfen, als Jahnishausen anderweitig zu verkaufen: Es geht in den Besitz der Familie Kötteritz über. - Damit enden 182 Jahre Herrschaft der von Schleinitz in Jahnishausen.

Wer waren diese Ritter von Schleinitz ?

Ihr Wahrzeichen waren drei Rosen. - Historiker, die dieser Frage nachgegangen sind, wissen dazu sehr viel zu berichten. Erstmals Schwarz auf Weiß steht der Name 1231 geschrieben. Man kann aber getrost annehmen, daß damit nicht die ersten Schleinitze genannt werden. Es gab ihrer 1231 etliche, die noch dazu in herausragender Stellung genannt werden. Das ist nicht plötzlich so gekommen. Das werden sich die von Schleinitz über viele Jahrzehnte erst einmal geschaffen, erobert oder ergaunert haben.

„Einer ihrer Ahnen war vermutlich einmal Gebietiger des Burgwarts Zehren und hat dessen Sitz und Amtsbefugnis auf die von ihm weiter binnenwärts an der wichtigen Straße von Zehren nach Lommatzsch erbaute Feste Schieritz übertragen; ein anderer Ahne des Geschlechts war vermutlich Inhaber des Burgwarts Leuben, hat aber den für wirtschaftliche Anlagen wenig geeigneten Felsen der Kirche überlassen und sich dafür in dem benachbarten Dorf Schleinitz, wo das Gelände zur Anlage einer Wasserburg vorzüglich geeignet und auch der Raum für eine größere Eigenwirtschaft vorhanden war, mit dem festen Schlosse Schleinitz angesiedelt, das nunmehr dem ganzen Geschlecht den Namen gab.“3)  - Das dürfte wohl einleuchtend sein! - Und wir zitieren weiter aus zuverlässiger Quelle:

„Fast ebenso alt ist vielleicht eine dritte Anlage: das Dorf und Schloß Hof. Der auffällige, öfters in der Verkleinerungsform Höfgen vorkommende Name bezeichnet schlechthin einen ritterlichen Lehnshof, dem die Dorfleute, Wirtschafter und Bauern, Zinsen und Dienst zu leisten haben. Das Rittergut wird aber im Volksmunde noch heute der Schleinitzer Hof genannt; vielleicht darf man ihn als eine Schleinitzer Gründung ansehen. Das Beiwort »Schleinitzer« fiel mit der Zeit hinweg, weil es den Bauern und Wirtschaftern der Gegend selbstverständlich war, daß ein nicht näher benannter Hof dem mächtigsten Geschlechte gehören müßte, dem ringsum fast alles dienstbar war. Denn allein im Tale der Jahna gehörten denen von Schleinitz während der Blütezeit des Geschlechts die Rittergüter Jahna (Goldhausen, Hof, Stauchitz, Ragewitz, Seerhausen und Jahnishausen etwas südlicher Schleinitz mit den Rittergütern Petzschwitz, Pinnewitz, Graupzig und Gödelitz, nahe der Elbe Schieritz, nahe an Meißen Nieder-Jahna, jenseits der Elbe Saathain und Skassa, an der Zschopau Kriebstein u.a.“  4)

Die Familie Schleinitz ist über Jahrhunderte in Sachsen verbreitet. Schon 1485, als Sachsen sich in die ernestinische und die albertinische Linie aufspaltete, soll Herzog Albrecht den Obermarschall Hugold III. von Schleinitz in einer Anklageschrift (1489) bezichtigt haben, ihn mit Ernst entzweit zu haben. 5)

Überall und bei jeder Gelegenheit tauchen Schleinitze als Edle wie auch als Schurken auf: „Der Familie Schleinitz entstammen Bischöfe und Äbte, die Einfluß auf die Landespolitik nahmen. - „Vor allem aber findet man Herren von Schleinitz im 15. und 16. Jahrhundert als tapfere Krieger fast auf allen Schlachtfeldern, selbst über die Grenzen des deutschen Raumes hinaus: So decken mehrere von Schleinitz in ihren Panzern 1426 die blutige Walstatt 6)  bei Aussig  7), mehrere Glieder dieses Geschlechtes fechten mit Herzog Albrecht 8) dem Beherzten in den Niederlanden, der lange Georg von Schleinitz fällt 1500 bei Hemmingstedt gegen die Dithmarscher Bauern 9), 1553 sterben Georg und Michael von Schleinitz mit dem Kurfürsten Moritz 10) den Heldentod bei Sievershausen, der jugendliche Haubold fällt 1562 auf Seiten der Hugenotten bei Dreux in Frankreich.“ 11)

Man darf wohl annehmen, daß Jahnishausen unter den drei Rosen ganz besonders bedeutsam gewesen ist, denn jeder Schleinitz war mit allen anderen Schleinitz verwandt. Und kein Schleinitz wird dem andern ein Auge..., aber das wissen wir ja schon längst von den Krähen!

 

3) Schmidt, O.E.: Herrensitze der Lommatzscher Pflege. In: Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Mitteilungen Heft 1 bis 3, Band XXI, Dresden 1932, S. 50.

4) Ebenda, S. 50f.

5) cf. Naumann, Günter: Sächsische Geschichte in Daten. 21994 München. S. 82.

6) Walstatt: in der germanischen Sage Kampfplatz der Helden.

7) Aussig: (Ústí nad Labem), Hauptstadt des Nord-böhmischen Gebiets, Tschechische Republik, an der Elbe, 90200 Einwohner. Chemie-, Porzellan- und Glasindustrie; Elbhafen. - In und bei Aussig Gräberfelder der Lausitzer Kultur. Aussig spielte eine bedeutende Rolle in der deutschböhmischen Nationalbewegung 1848.

8)  „Herzog Albrecht mit dem Beinamen »der Beherzte« (lat. Albertus animosus) steht am Ende der wettinischen Herrscherfolge streitbarer und trutziger Markgrafen und Herzöge des Mittelalters. Er war einer der gefeiertsten Kriegshelden seiner Zeit und hat sich im Dienst des Reiches verzehrt. Als »des Kaisers gewaltiger Marschall und Bannermeister« zog er gegen Karl den Kühnen von Burgund und führte das Reichsheer gegen Matthias Corvinus von Ungarn. Er übernahm die Stattherschaft in den aufständischen Niederlanden und wurde 1494 von Kaiser Maximilian zum »ewigen Gubernator von Friesland« ernannt. In Emden ist er 1500 gestorben. Das erbliche Herzogtum Friesland sollte indes für sein Haus keinen dauerhaften Gewinn bedeuten.“ (Zimmermann 1997, S. 64)

9)  Die Bauernrepublik Dithmarschen wahrte vom 13. Jahrhundert an eine weitgehende Selbständigkeit (1500 Sieg des Volksheeres bei Hemmingstedt über ein dänisches Heer). 1559 unterwarfen der dänische König und die beiden Gottorfer Herzöge das Land. 1581 in eine südliche dänische Hälfte und eine nördliche Gottorfer Hälfte (1773 ebenfalls dänisch) geteilt.

10)  Moritz: *Freiberg 21.3.1521, †bei Sievershausen (=Lehrte) 11.7.1553, Herzog (ab 1541), Kurfürst (seit 1547). Trat, obwohl Protestant, 1546 auf seiten Karls V. in den Schmalkaldischen Krieg ein und erhielt die Kurwürde; betrieb 1551 die erfolgreiche Fürstenverschwörung gegen Karl V. (1552 religionspolitische Zugeständnisse des Kaisers im Passauer Vertrag); ordnete die Landeskirche.

11)  Schmidt, O.E.: Herrensitze der Lommatzscher Pflege. In: Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Mitteilungen Heft 1 bis 3, Band XXI, Dresden 1932, S. 50.

nach Oben

 

 

Wer waren die ersten Jahnishausener ?

Man wird die Frage doch stellen dürfen! - Dabei muß man wohl davon ausgehen, daß Jahnishausen wesentlich älter ist als Jahnishausen. Man muß wohl annehmen, es gab schon Jahnishausen, als der Ort noch gar nicht Jahnishausen hieß. Und es lebten schon Leute in Jahnishausen, als noch keiner das Dorf Jahnishausen nannte. Slawen, heißt es, sollen dort gelebt haben. Aber zwischen Slawen und Slawen gibt es wohl auch beträchtliche Unterschiede. Und ob die Slawen dann tatsächlich die ersten Jahnishausener oder zumindest Watzschwitzer waren, ist zumindest leicht zu bezweifeln. Der Blick muß viel weiter zurück gerichtet werden. Und da wird es unpersönlich. Da wird es „allgemein-konkret“. Da ist nichts mehr über einzelne Personen, Vorgänge und Orte zu erfahren. Da reimen sich Historiker und Prähistoriker aus spärlichen Bodenfunden (Urnen, Scherben, vermeintliche Werkzeuge) etwas mit sehr viel Phantasie zusammen. Da muß geschlußfolgert und interpoliert und extrapoliert werden. Da ist man froh, wenn man Elementares erfährt und das dann so leidlich plausibel erscheint.

Man kann wohl annehmen, daß Jahnishausen und die umliegenden Ortschaften schon seit Tausenden von Jahren besiedelt sind. Es sollen Bandkeramiker gewesen sein und Schnurkeramiker. Davon haben die Ur-Jahnishausener natürlich selbst gar nichts gewußt. Sie lebten in diesen düsteren Zeiten und sorgten sich tagtäglich um ihr täglich Brot, um Kleidung, um ein warmes Plätzchen... - Keramiker ist eine Bezeichnung, die die Prähistoriker erfunden haben: Von den Menschen, die vor abertausend Jahren lebten, hat man vor allem Keramik gefunden. Und damit tat sich dem fachkundigen Forscherblick schon fast die ganze Welt des Jahnishausener Altertums auf. Allein die Verzierung auf den Fundstücken wies darauf hin, daß die Leute auch damals schon Geschmack hatten und daß es bereits unterschiedliche Geschmäcker gegeben hat.

Bandkeramiker waren die Vorfahren, die uns Töpfe und Dosen mit bänderartiger Ornamentik hinterlassen haben. Und das sollen die ältesten Funde sein: Man schätzt, daß diese Überreste bis zu 7000 Jahren alt sein dürften. Und wer sich Keramiken anfertigt, trägt sich weniger mit Umzugsgedanken. Die Leute sollen damals seßhaft geworden sein. Damit ihnen das möglich war, mußten sie Ackerbau und Viehzucht betreiben. Sie haben uns Einblick in ihre Totenbestattung hinterlassen. Zu kultischen Zwecken haben sie beachtliche Monolithen errichtet. - Und was den Bandkeramikern recht war, war den Schnurkeramikern nur billig. Sie setzten gewissermaßen die Traditionen der Bandkeramiker fort und stabilisierten das Erhaltenswerte, organisierten ihr Zusammenleben, und ausgerechnet das ist von ihnen am besten überliefert: Sie haben ihre Gefäße mit Abdruckmustern gedrillter Schnüre verziert, was ihnen in Prähistorikerkreisen den Namen Schnurkeramiker einbrachte.

In Jahnishausen hat man wohl noch keine Reste aus dem Neolithikum 12)  ausgraben können. Aber das besagt ja noch lange nicht, daß es in Jahnishausen nicht auch Leute gegeben hat, die ihre Gefäße mit Bänder- oder Schnurmustern verzierten.

Nehmen wir also an, daß Jahnishausen schon in der Steinzeit bestanden hat. Dann waren die ersten Jahnishausener aus heutiger Sicht Band- und Schnurkeramiker.

Dann kommt eine beträchtliche Zeitspanne, die wohl für immer im Dunkel der Geschichte bleiben wird. Natürlich ist anzunehmen, daß sich auch in dieser Zeit Leute seßhaft machten, vertrieben wurden oder sich von Wanderbewegungen anstecken ließen. Es wird Heiteres und Tragisches gegeben haben. Mord und Totschlag sind ja schon immer Eigenschaften des Homo sapiens.

Einigermaßen sichere Überlieferungen beginnen erst nach dem Jahre 900, als die Sorbenfestung Gana eingenommen worden war und die Sorben sich in ihrer Gesamtheit dem Kaiser Heinrich I. unterwerfen mußten. Der ließ allerdings den Sorben, was den Sorben war. Sie durften sich weiterhin selbst regieren. Die Machtfrage war ja grundsätzlich geklärt.

Schon im 10. Jahrhundert wurde den Wethenici 13)  eine bevorzugte Stellung zuteil. Sie erhielten kleine Lehen 14)  und standen dem deutschen Dienstmann (Lehnsmann) kaum nach.

Die Supane 15)  wurden als „verlängerter Arm“ der deutschen Verwaltung eingesetzt. „Sie waren mit polizeilich-richterlichen Befugnissen ausgestattet, hatten Gerichtsfälle, Steuern, Zinsen und sonstige Leistungen einzutreiben, die Durchführung landesherrlicher Beschlüsse und Befehle zu überwachen, und endlich im Landgericht als Schöffen in wendischen Sachen das Urteil zu finden. Für all diese Leistungen waren sie mit einem Dienstlehen begabt, das aus einigen abgabenfreien Hufen Landes, daneben bisweilen auch noch aus Zinseinkünften bestand. Von persönlichen Diensten waren sie befreit, nur im Kriege zu Roßdienst gehalten.“ 16) Einigen dürfte wohl auch der Aufstieg als Ministeriale gelungen sein. Die meisten sanken allerdings im Laufe der Zeit auf das Niveau der Zinsbauern ab.

In ähnlicher Weise ließ man auch die Withasen für sich arbeiten. Sie waren im Besitze kleinerer Lehen, meist nur eine (abgabenfreie) Hufe, waren im Kriegsfalle zu Roßdienst verpflichtet. Ihr Wirkungsbereich war kleiner als eine Supanie, in der Regel nur auf ein Dorf beschränkt.

Als Wethenici, Saupen oder Withasen degenerierte wahrscheinlich der ehemalige sorbische Adel.

Die Mehrzahl der Sorben waren jedoch Smurden 17). Für sie hatte lediglich die Oberschicht gewechselt. Sie blieben Knechte für Acker und Vieh, sie waren Arbeitskräfte zur beliebigen Verfügung, Reichtum konnten sie nicht erwerben, gesellschaftlicher Aufschwung war unmöglich. - „Späterhin erscheinen sie häufig mit kleinen Grundstücken ausgestattet, als Gärtner, Kossaten, Häusler und ähnliche zins- und dienstverpflichtete Kleinleute. Manche von ihnen traten auch, aufsteigend unter der Gunst der Kolonisationsbewegung, ganz in die Reihe der Zinsbauern ein.“ 18)  Diese große Menge blieb auf den Äckern, jedoch ohne Besitzanspruch. Sie waren abhängig von der Gnade ihres Herren. Sie waren das lebende Inventar, das wie das Vieh dazu gehörte. Die Bezeichnung war mancipia und servi.

Gleichzeitig bildete sich auch eine deutsche Verwaltung heraus: Die Burgen waren notgedrungen auch Mittelpunkte für die Organisation und Verwaltung des Landes. Man kann ohne Einschränkung Ermisch folgen: „Zu jeder Burg gehörte ein Bezirk, Burgwart genannt; innerhalb desselben war der Befehlshaber der Burg, der castellanus  19), auch der oberste Beamte des Landesherrn. Nicht allein das ländliche Aufgebot, die agrari milites 20), versammelten sich hier, wenn es einen Kriegszug galt, sondern auch alle anderen Versammlungen sollten nach einem Gebot König Heinrichs in den Burgen stattfinden. Die Burgwarten traten als Unterabteilung des Gaues an die Stelle der fränkischen Hundertschaft; aus der Burggwartverfassung hat sich die spätere Ämterverfassung entwickelt - sie ist somit die Grundlage der Verwaltungsgliederung des Landes bis in die neuere Zeit geblieben. Die Burgen heißen bei den Schriftstellern jener Zeit nicht bloß castrum, castellum, sondern auch oppidum 21), urbs 22), selbst civitas 23)  zum Unterschiede von der unbefestigten villa, dem Dorfe. [...] Vor allem aber wurde die Befestigung, die das Kennzeichen der Burg war, dann auch ein wesentliches Kennzeichen der mittelalterlichen Stadt. Man kann sagen: jede Stadt war eine erweiterte Burg, aber nicht jede Burg wurde eine Stadt. Noch heute erinnert das Wort ‚Bürger‘ an den innigen Zusammenhang zwischen Burg und Stadt.“ 24)  Parallel dazu existierten die slawischen Verwaltungsgliederungen weiter, wenn auch die politische Macht längst an die Eroberer übergegangen war, wofür gewissermaßen Otto I. 25)  ein Garant war. Er sicherte seine Macht durch Geistliche, Klöster und Missionierung der Sorben ab.

„Über diese ersten Anfänge eines deutschen Herrentums, das sich über die besiegten Sorbenwenden erhob, schweigen die Urkunden wie über so manches andere. So wissen wir auch keine Namen der bei diesen Anfängen beteiligten deutschen Familien. Wir dürfen aber vielleicht annehmen, daß es teilweise dieselben waren, die dann im 13. Jahrhundert, der Blütezeit der Kolonisation deutlicher und faßbarer aus dem Dunkel der schriftlosen Überlieferung in das hellere Licht urkundlicher Feststellung hervortreten. Ich denke dabei in erster Linie an die Familie von Schleinitz, die später in vielen Verästelungen einen großen Teil der Lehnsgüter und Schlösser der Lommatzscher Pflege besaß, deren Anfänge aber völlig unbekannt sind.“ 26)

In dieser Zeit dürfte der Nickritzer Tempelberg seine religiöse Funktion endgültig verloren haben. Die Germanen duldeten weder Heiden noch deren Götzen.

Die „Burg“ Jahnishausen wird man stärker befestigt haben. Man wird dazu gewiß die Bachläufe der Keppritz für die Gestaltung des Wals genutzt haben. Inwiefern die seltsame Bezeichnung „Wal“ etwas mit „Wall“ zu tun haben könnte, ist nicht eindeutig zu sagen. Im Slawischen findet sich durchaus „Wal“ im Sinne von Wall, Erdwall.

Die Steine zum Burg- bzw. Schloßbau dürften wohl aus dem Gostewitzer Steinbruch stammen. Interessant dürfte dabei die Frage sein, auf welchem Weg man dann die Steine nach Jahnishausen gebracht haben könnte. Die Keppritz dürfte seinerzeit das gesamte Gelände vom Steinbruch bis zum Wahl unpassierbar gemacht haben. Der Boden wird weich gewesen sein. Es wird mehr Rinnsale, Nebenarme, Tümpel und dergleichen gegeben haben. Möglicherweise war das Terrain zwischen Gostewitz und Jahnishausen so beschaffen wie der heutige Erlenbruchwald jenseits des Wals in Jahnishausen, wo die Märzenbecher stehen. Außerdem hat sich für die Fläche zwischen Gostewitzer Steinbruch und Park Jahnishausen die Bezeichnung „der Teich“ erhalten. Denkbar, das er spätestens beim Bau der Eisenbahnstrecke Riesa-Nossen „ausgetrocknet“ ist.

Der Transport des Baumaterials nach Jahnishausen dürfte wohl mittels Pferde- und Ochsengespannen zunächst über Böhlen auf der alten Großenhainer Straße entlang gegangen sein. Vielleicht gab es auch noch eine findigere Lösung: Man transportierte die Steine mit Kähnen, die Strömung nutzend, keppritzabwärts. - Wer weiß?

 

12)  Neolithikum: (Jüngere Steinzeit, Jungsteinzeit), jüngste Hauptperiode der Steinzeit. Die ›archäologische‹ Definition des Neolithikums durch geschliffene Steinwerkzeuge (besonders Beil, Axt, Keule), Keramik, Bogen, größere dörfliche Siedlungsgemeinschaften mit mehrjährig bewohnten Häusern wurde durch die ›ökonomische‹ überlagert (Beginn des Neolithikums mit Anbau von Kulturpflanzen und Haltung von Haustieren). Die Anfänge des Neolithikums gehen bis ins 9. Jahrtausend v. Chr. zurück. Älteste Zeugnisse stammen aus Ost-Kleinasien, Nord-Mesopotamien und der Levante, dem Gebiet des östlichen Mittelmeeres. Bedeutende frühneolithische (Groß)Siedlungen sind Cçatal Hüyük und Jericho (Anfänge der Hochkultur). - Für lokale Kulturen war besonders die Keramik typisch (z.B. bandkeramische Kultur, schnurkeramische Kultur, Trichterbecherkultur), daneben Steinwerkzeuge und Grabformen (Megalithkulturen).

13) Wethenici: sorbische Krieger im Dienste des Markgrafen.

14) Lehen:  <Leihen; etwas Geliehenes, Verliehenes. Für besondere Verdienste verlieh der Fürst an seine verdienstvollen Untertanen ein Landstück samt „lebendem“ Inventar. - Lehnswesen, Grundlage des abendländischen Feudalismus, dessen Staats- und Gesellschaftsordnung auf dem Verhältnis von Lehnsleuten und Lehnsherrn (Lehnsverband) beruhte. Grundkomponenten des während des 8. Jh. im Fränkischen Reich entstandenen Lehenswesens waren im wesentlichen ein dingliches (Benefizium) und ein persönliches (Vasallität) Element. In der Vasallität verschmolzen die keltoromanische Kommendation (Einlegen der Hände in die des Herrn als Zeichen der Ergebung) und der Treuebegriff der germanischen Gefolgschaft, der Lehnsherrn und Lehnsmann gleichermaßen ver-pflichtete. Das Benefizium wurde im Lehen (lat. Feudum) zur Belehnung mit einer Sache (Land, Amt) oder einem Recht auf Lebenszeit (später erb-lich) umgestaltet, die den Vasallen zu Dienst und Treue, den Lehnsherrn zu Schutz und Schirm ver-pflichteten. In der Lehnspyramide trennten die Kronvasallen (Lehnsfürsten) als unmittelbare Lehnsmänner des Königs/Kaisers diesen von den Aftervasallen (Ministeriale, Dienstmannen) und den Untertanen. Während des Hochmittelalters konnten die englischen und französischen Könige ihre direkte Herrschaft über die Untervasallen durchsetzen. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation kam es hingegen zur Ausbildung von Landesherrschaften mit Verfügungsgewalt über alle Lehen im eigenen Machtbereich (Lehnshoheit). >Partikulargewalten. - Entsprechend der Verlehnungszeremonie hießen die Lehen der weltlichen Fürsten Fahnlehen, die der geistlichen Zepterlehen. Mit der Verdrängung der Ritter- durch die Söldnerheere und dem Eindringen Bürgerlicher in die Verwaltung verlor das Lehenswesen seit dem Ausgang des Mittelalters an Bedeutung.

15) Supan: eingedeutscht: Saupe; Vorsteher einer sorbischen Siedlung (Supanie), „die mit Gerichten und Abgaben noch dem Landesherrn zustanden. Aus dem 14 Jh. Ist eine Zahl von 210 Dörfern so unterstellt.

16) Schulze, E.O.: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. In: Wuttke, Robert (Hrsg.): Sächsi-sche Volkskunde. Dresden 1900, S. 67f.

17) Smurden: vermutlich abgeleitet von „smrd“ = Schmutz, Gestank;  gesellschaftliche Unterschicht schon zu Zeiten sorbischer Selbständigkeit.

18) Schulze, E.O.: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. In: Wuttke, Robert (Hrsg.): Sächsische Volkskunde. Dresden 1900, S. 68.

19)  im Mittelalter Kommandant einer Burg, Burggraf

20) ursprüngliche Landwehr

21) oppidum: (Mrz. oppida), urspr. lat. Bezeichnung für altitalische Burgen und für stadtähnliche Siedlungen, dann (nach Cäsar) Bezeichnung für große keltische Stadtanlagen des 2. und 1. Jh. v.Chr.

22) Stadt [lat.]

23) civitas: Mrz. civitates [lat.] Bezeichnung für 1. im Römischen Reich für jede Art Staatswesen mit den Voraussetzungen bürgerlicher Selbstverwaltung, auch für die römische Bürgergemeinde selbst sowie das für das Mitglied einer Civitas gültige Bürgerrecht; 2. für die geschlossenen, politisch selbständigen germanischen Volksgemeinden; in der Völkerwanderungszeit für die ummauerten Städte.

24) Ermisch, H.: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. In: Wuttke, Robert (Hrsg.): Sächsische Volkskunde. Dresden 1900, S. 118f.

25) Otto I.: der Große, *23.11.912, †Memleben bei Naumburg/Saale 7.5.973, deutscher König (seit 936), Kaiser (seit 962). Konnte nach erfolgreichen Auseinandersetzungen mit den Herzögen seine Stellung festigen; die Rivalität zwischen Karolingern und Robertinern/Kapetingern im Westfrankenreich verschaffte Otto hier eine schiedsrichterliche Stellung, der burgundische König erkannte seine Lehnshoheit an, die Ost-Grenze des Reiches wurde abgesichert durch Markenorganisation und Grün-dung neuer Bistümer für Slawen- und Skandinavienmission. Auf seinem 1. Italienzug (951/952) erwarb Otto die Herrschaft über das Regnum Italiae und heiratete in 2. Ehe Adelheid, die Witwe König Lothars II. von Italien. Die Ungarneinfälle dämmte Otto durch die Vernichtung des ungarischen Heeres (10.8.955) auf dem Lechfeld, einer Schotterebene zwischen dem Lech und der Wertach, südlich von Augsburg, ein. In Abkehr von der bisherigen Familienpolitik machte Otto die Reichskirche zur Stütze der königlichen Herrschaft (cf. ottonisch-salisches Reichskirchensystem). Beim 2. Italienzug (961-965) empfing er am 2.2.962 die Kaiserkrone (Bindung der Kaiserwürde an das deutsche Regnum, Orientierung der Reichspolitik nach Italien). Auf seinem 3. Italienzug (966-972) bezog Otto die langobardischen Herzogtümer Süd-Italiens in seinen Herrschaftsbereich ein.

 

26) Ebenda, S. 50

nach Oben

 

 

 Waren die ersten Jahnishausener schon Sachsen ?

Jahnishausen gehört zu Sachsen und hat schon immer dazu gehört, wenn es auch bis ins „Preußische“ gar nicht so weit ist. Und wenn man einen Jahnishausener reden hört, dann kommen erst gar keine Zweifel auf: Die Jahnishausener sind waschechte Sachsen.

Aber zu den Zeiten eines Bernhard von Canitz war das noch ganz anders. Als der, wir wollen das mal so vermuten, mit einer Handvoll Getreuer von der Döllnitz an die Keppritz übersiedelte, traf er auf Leute, die eine andere Sprache sprachen. Und man verstand sich nicht. - Um 1200 lebten in Jahnishausen Slawen. Aber was denn für welche?

Die Jahnishausener Slawen gehörten zu slawischen Stämmen, die aus dem Böhmischen gewissermaßen die Elbe (Labe) abwärts gezogen waren. Es waren slawische Bauern, die sich hier niederließen. Sie betrieben auch Fischfang und Waldbienenzucht. Historiker sortieren sie bei den Westslawen bzw. Elbslawen ein: die Sorben, Siusler, Milzener, Lusici, Daleminzier... Eine andere Bezeichnung ist polabische  Slawen. Allerdings sprengten diese bei weitem den Raum, denen das Adjektiv ihnen vorgab. Sie lebten zwischen Ratzeburg und der unteren Oder.

Die polabische 27) Sprache wird man auch in Jahnishausen gesprochen haben.

Jahnishausen gehörte damals zum Gau Daleminze , der sich von Strehla bis in die Gegend von Lommatzsch und Meißen erstreckte. Daleminze war ein geordnetes Staatswesen mit dem Hauptort Gana, eine feste Burg, über die es Sagen gibt, die aber nicht eindeutig zu orten war. Man vermutet, daß sie zwischen Stauchitz und Hof gelegen hat. Zumindest findet man dort den „Burgberg“.

Auch Lommatzsch war ein bedeutender Ort im Gau Daleminze 28). Zwischen Paltzschen und Striegnitz, so die Sage, sei eine Kultstätte gewesen: der „Balsche See“. Er habe die Funktion eines Orakels gehabt. Aus der Färbung seines Wassers habe man Krieg oder Frieden voraussagen können.

Gana wurde 929 von Heinrich I. erobert und damit die Daleminzier unterworfen. - Und als Bernhard von Canitz sich Watzschwitz angeeignet hatte, waren die Slawen schon nicht mehr stolz und stark. Ihre Festung Gana war längst gefallen. Die kecken Ostkolonisatoren hatten alle Initiative an sich gerissen. Die Existenz der Daleminzer wie der Elbslawen überhaupt war nur noch eine Frage der Zeit, und die konnte noch ein bißchen dauern.

Aber wie war es denn eigentlich, als die Slawen noch nicht beiderseits der Elbe saßen?

Wer lebte vor den Slawen in Jahnishausen?

Germanen haben in Jahnishausen gewohnt. Germanische Stämme waren es, die an der Elbe und gewiß auch in Jahnishausen siedelten. Und die waren von Plinius 29)  und Tacitus  30) als Elbgermanen bezeichnet worden. Von ihnen sind Gräber aufgefunden worden, Brandgräber westgermanischer Sweben (Sueben) und Siedlungsreste der Herminonen.

Die Sweben (das sollen wohl die heutigen Schwaben gewesen sein?) kommen aus dem Raume Brandenburg und ziehen west- und südwärts. Dabei erreichen sie bald die Elbe und gelangen weiter u.a. auch bis in den Jahna-Keppritz-Winkel, der eine gewisse Geborgenheit bieten konnte. - Jahnishausen, ein Dorf der Sweben? Denkbar wäre das schon.

Aber fragen wir uns weiter in das Dunkel der Vorgeschichte zurück! - Wer war denn noch vor den Sweben und Herminonen in Jahnishausen zu Hause?

Die westgermanischen Stämme der Sweben und Herminonen mußten sich gegen die an der Elbe sitzenden Illyrer 31) behaupten. 1700 bis 800 v.Z. sollen in unserer Heimat Illyrer gewohnt haben. Von ihnen weiß man wohl nur aus altertümlichen römischen Quellen. Für die Römer waren Illyrer jene, die jenseits der Adria wohnten, auf dem heutigen Balkan. Die Illyrer waren ein indogermanisches Volk, das, in viele Stämme aufgesplittert war. Etwa zur Zeit der Schlacht im Teutoburger Wald waren die Illyrer von den Römern unterworfen. Man denke nur an die illyrischen Kriege Oktavians (35-33) und den pannonischen Aufstand (6-9). - Die Historiker wollen herausgefunden haben, daß vor allem die Lausitzer Kultur 32)  von den Illyrern getragen wurde.

Obwohl schon lange kein Illyrer mehr um Riesa herum zu Hause ist, ist dennoch ihre Kultur nicht völlig im Dunkel der Geschichte versunken: Sie „legten die heute noch erhaltenen Burgen an der Rauhen Furt in Diesbar an: Heinrichsburg / Goldkuppe, Burgberg oder Schanze Löbsal, Gohrischberg. Zur Elbe hin waren diese Burgen durch Steilhänge gesichert, landeinwärts durch Erdwälle. Der Feind, den die Illyrer so sehr fürchten, das waren die aus dem Norden heranrückenden Germanen, die in der Folgezeit 1000 Jahre im Gebiet des heutigen Sachsen blieben.“

Die Völkerwanderung bewirkte, daß die um Jahnishausen herum seßhaft gewordenen Germanen nun doch ihre Pferde sattelten und gen Westen und Süden zogen. In das drohende Vakuum rückten allerdings sofort Westslawen (Elbslawen) vor. Und die blieben, bis es den Franken und Niedersachsen zu Hause zu eng wurde und sie als Kolonisten für sich den slawischen Osten eroberten.

 

27) polabisch: „po“ ist eine slawische Präposition und drückt eine Lagebeziehung aus, und das Grundwort dürfte das Adjektiv zu „Labe“ = Elbe sein.

28) Daleminze: Der Gauname wurde vermutlich von den Sorben als Bezeichnung einer vorslawischen Bevölkerung vorgefunden. Seit 805 werden die Daleminzier in den ältesten schriftlichen Quellen mehrfach erwähnt.

29) Plinius der Ältere: Gajus Plinius Secundus, *Novum Comum (=Como) 23 oder 24, †Stabiae (=Castellammare di Stabia) 24.8.79, römischer Historiker und Schriftsteller. Zuletzt Kommandant der Flotte in Misenum; kam beim Vesuvausbruch ums Leben; erhalten ist nur eine 37 Bücher umfassende ›Naturgeschichte‹.

30) Tacitus, Publius (?) Cornelius, *um 55, †nach 115, römischer Geschichtsschreiber. Seine erste Schrift, die Biographie ›Agricola‹ (wohl 98), enthält einen bedeutenden Exkurs über Britannien; in seinem geographisch-ethnographischen Werk ›Germania‹ rügt Tacitus mittels eines idealisierten Germanenbilds die in seinen Augen dekadente römische Gesellschaft der Kaiserzeit. Die beiden nur teilweise erhaltenen Hauptwerke, die ›Annalen‹ und die ›Historien‹, umfassen die Zeit vom Tod des Augustus (14 n.Chr.) bis zum Ende Domitians (96).

31) Illyrer: Illyrier, indogermanisches Volk, das, in viele Stämme aufgesplittert, spätestens seit dem 8./7. Jh. Illyrien* besiedelte. Als erste größere illyrische Staatsbildung entstand von etwa 400 bis etwa 260 das Taulantierreich. 260/250-168 bestand das südillyrische Reich von Skodra (=Shkodër). An seine Stelle trat von 158 v.Chr. bis 9 n.Chr. die Eidgenossenschaft der Dalmater. Nach den illyrischen Kriegen Oktavians (35-33) und dem pannonischen Aufstand (6-9) standen die Illyrer unter römischer Herrschaft.

*) Illyrien: (lat. Illyria, Illyricum), im Altertum der vom Volk der Illyrer abgeleitete Name für die gebirgige Landschaft im Osten des Adriatischen Meeres mit zahlreichen Inseln nördlich von Epirus. - Im 19. Jh. Bezeichnung. für die von Österreich 1809 abgetretenen und von Napoleon I. als Illyrische Provinzen zusammengefaßten Gebiete West-Kärnten, Ost-Tirol, Teile Kroatiens mit Istrien und Dalmatien (1816-1849 ohne Dalmatien und Kroatien zum Königreich Illyrien umgebildet).

32) Lausitzer Kultur: nach Urnenfeldern in der Niederlausitz benannte spätbronzezeitliche Kulturgruppe: Buckelkeramik.

nach Oben

 

 

 

 Welche Sprachen sprach man in Jahnishausen?

Es scheint, als brauchte man diese Frage gar nicht erst aufzuwerfen: Jahnishausen liegt in Sachsen, und da wird sächsisch gesprochen. Oder wer es genauer und präziser sagen will, der betont, daß man das, was die Jahnishausener so unter sich zum besten geben, als Nordmeißnisch bezeichnen muß. Und wer in der Schule aufgepaßt hat, weiß wahrscheinlich auch, daß Luther für seine deutsche Bibel das Meißnische ausgewählt hat, von dem er annahm, daß man diese Mundart weithin in den deutschen Landen verstehen kann. Und so geht es wohl auch den Jahnishausenern: Schön klingt ihre Sprache gerade nicht, aber jeder versteht, was die red’n.

Aber sächsisch redet man in Jahnishausen erst um die 700 Jahre. Aber das ist auch schon ganz schön lange! - Wir können wohl annehmen, daß die Leute, die ihr Dörfchen Wachsmutitz genannt haben, schon sächsisch gesprochen haben. Und das ist seit 1274 beurkundet: 725 Jahre Sächsisch in Jahnishausen!

Jahnishausen hat es schon vor den Sachsen gegeben, als die noch im Norden herumgeisterten und ihre angelsächsischen Brüder und Schwestern verloren hatten. Damals, wir wissen das doch, hat das Dorf Watzwicz geheißen, was wohl Besitz des Vadec bedeutet haben könnte. Aber Vadec war nun mal kein Sachse. Auch wenn wir sonst nichts über ihn wissen, können wir doch wohl annehmen, daß er Slawe war: Daleminzier. Und die haben nicht deutsch, sondern altsorbisch miteinander kommuniziert.

Die allen gemeinsame slawische Sprache ist nach Auffassung der Experten wohl das Elbslawische gewesen, die polabische Sprache. Diese Sprache gibt es nicht mehr, und überliefert ist sie nur fragmentarisch. Keiner weiß, wie sie geklungen hat. Keiner kann heute noch so sprechen. Dennoch will man Reste dieser Lingua poslaba noch vor zweihundert Jahren nördlich von Magdeburg „aufgelesen“ haben. Man ist in Fachkreisen geneigt, diese Sprache in die Nähe des heutigen Polnischen zu bringen.

Das ging so lange, bis etwa zum Jahre 1100. Da tauchten zu Fuß und mit einfachen Planwagen Westler und Nordler auf. Man konnte sie in Jahnishausen nicht verstehen, obwohl man natürlich verstand, was die wollten: Die wollten sich hier im Sorbenland eine neue Existenz aufbauen. Aber wo ein Sorbe seine Existenz aufgebaut hatte, konnte kein Zugereister seine Existenz gründen. Und dennoch kamen immer mehr Siedler an die Elbe. - „In einem West-Ost-Strom zogen Thüringer, Hessen, Rheinländer, Flamen in die einstige Mark Meißen, in einem Südwest-Nordost-Strom Ostfranken und Bayern in das Vogtland und Erzgebirge. Es begann eine Zeit verstärkten Waldrodens. Auch Dörfer wurden neu gegründet: Naundörfchen, Merzdorf..., Dörfer mit den Endungen -bach, -berg und -dorf.“ 33)

Auch nach Jahnishausen kamen solche Siedler. Und die sprachen je nachdem hessisch, flämisch oder eben sächsisch. - Ein babylonisches Sprachengewirr in Jahnishausen?

So schlimm wird’s nicht gewesen sein. Zweisprachig wird’s zugegangen sein. Man wird wohl mit sorbischer und mit deutscher Zunge gesprochen haben. Man wird sich wohl auch mit der Zeit verständigt haben: Die Zugereisten lernten Brocken des Sorbischen, und die Sorben lernten Sächsisches. Und die Kinder sprachen Kauderwelsch: heeme so und im Dorfe so.

Mehr und mehr setzten sich die mittelalterlichen Wessis durch. Ihre Sprache dominiert mehr und mehr. Die ehemals sorbische Verwaltung geht in deutsche Hände über. Burgwarte und Lokatoren tun das, was vorher sorbische Saupen getan haben. Und wenn die Wenden mitspielten, blieb die Wende friedlich. - Ob davon die Bezeichnung „Wenden“ für die Sorben gekommen ist?

Um nun eine präzise Antwort auf die aufgeworfene Frage zu geben: Durch die Siedler war die deutsche Sprache ins Dorf gekommen. - Fortan fanden differenzierte Angleichungsvorgänge in der Öffentlichkeit statt, während man zu Hause und untereinander die bisherige Sprache beibehielt. Damit kam man als Sorbe wie als Sachse durchaus noch gute zweihundert Jahre zurecht.

Zur Zeit eines Bernhard von Canitz, 1389, sind die Grundfragen längst geklärt: Es wird die Sprache des Herrn, also die des Herrn Bernhard von Canitz, gesprochen. Und der selbst wollte auch kein Wendisch dulden. Die Amtssprache war sächsisch geworden. Sorbisch, genauer das Altsorbische, war was für heemerum. Was sächsisch nicht auszusprechen war oder noch keine Bezeichnung hatte, übernahm man aus dem Sorbischen: Die Gänse- und Entenküken rief man fortan „Biele, biele, biele!“ oder man sprach von kleen‘ Bielchen, wenn man diese Küken meinte. Übernommen hatte man hier die slawische Bezeichnung „bely“ 34)  für weiß. - Und so leben viele Lehnwörter, aber auch Personen-, Orts- und Sachbezeichnugen aus der polabischen Sprache „undercover“ weiter.

Das Sorbische als lebendige Sprache dürfte im Meißner Raum im 15. Jahrhuindert ausgestorben sein: 1424 wurde der Gebrauch der wendischen Sprache vor Gericht verboten 35).

 

33) E.O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. In: Wuttke, R. (Hrsg.): Sächsische Volks-kunde. Dresden 1900. S. 67  

34) Man vergleiche: russisch „белый“ - wei?.

35) E.O. Schulze: a.a.O., S. 96

nach Oben

 

 

 

Wer hat die Sachsen nach Jahnishausen geholt?

Die Historiker wissen, daß schon die Römer von den Sachsen berichteten. Demnach haben die Sachsen, lateinisch Saxones, im 2. und 3. Jahrhundert an der Nordsee gewohnt. Ihr Gebiet reichte seinerzeit bis zum Niederrhein. Was nun einen Teil der Sachsen, nämlich die Angeln 36), veranlaßt haben könnte, nach dem Westen auszuwandern weiß wohl heute keiner mehr zu sagen. Es scheint, daß sie dabei auch nicht besonders glücklich geworden sind. 37)

Die Sachsen, die auf dem Kontinent geblieben waren, breiteten sich weiter aus. Überall zwischen Eider, Elbe und Saale, Werra und Unstrut sowie dem Niederrhein konnte man im 5. Jahrhundert Sachsen treffen. Karl der Große soll sie deshalb mit Gewalt seinem Großreich eingegliedert haben. - Aber, was wissen wir schon von Karl, dem Großen? 38)

Um 900 entstand das Stammesherzogtum Sachsen, in dem die Liudolfinger 39) den Ton angaben. Es wurde später, 1137/42, an die Welfen 40)  vergeben und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen 41), unter dem es seine größte Ausdehnung erreicht hatte, 1180 auf ein östliches, an der Elbe gelegenes Rest-Herzogtum reduziert. Und dieses Rest-Herzogtum Sachsen fiel an die Askanier 42), die es 1260 in die Herzogtümer Sachsen-Lauenburg (Lauenburg) und Sachsen-Wittenberg teilten. Letzteres fiel 1423 zusammen mit der 1356 (Goldene Bulle) 43) erworbenen Kurwürde und dem Herzogtitel an die wettinischen  Markgrafen von Meißen.

Das, was der Mensch heute unter Sachsen versteht, begann als Markgrafschaft Meißen, 982 aus den Mark-Grafschaften Merseburg, Zeitz und Meißen gebildet und 1089/1125 an das Haus Wettin 44) gelangt, umfaßte seit Mitte des 13. Jh. (zu dieser Zeit u.a. Erwerb Thüringens) ein Gebiet von der Oder bis zur Werra, vom Erzgebirge bis zum Harz. Auf dieses Gebiet übertrug sich 1423 der Name des Kur-Fürstentums Sachsen (Kursachsen oder Obersachsen, während man das alte Land der Sachsen fortan Niedersachsen nannte).

Es gibt auch Hinweise, daß im 12. Jahrhundert ein regelrechter Drang, eine allgemeine Aufbruchstimmung, ja, eine ganze Bewegung die mittelalterlichen Wessis erfaßt haben soll, ihr Glück im rauhen Osten zu suchen. „Wanderlust und Sinn nach Abenteuern stieg, und leicht löste man sich vom heimischen Herde, um im fernen Heidenlande Heil der Seele und vielleicht auch Güter der Welt zu suchen. Der Bauer, der mit Hab und Gut ins Wendenland fuhr, mochte auch in seiner Brust ein Stück fühlen von dem, was in wundersamer Mischung von Glaubenseifer und Weltsinn das Herz des Kreuzfahrers schwellte. Und der Kreuzzug gegen die Wenden, obwohl seine Erfolge den Voranstalten und der Erwartung wenig entsprachen, wurde doch für die Kolonisierung des Ostens von weitreichender Bedeutung.“ 45)

Sogar Lieder sind aus diesen Aufbruchzeiten erhalten, die dieses Zeitcolorit enthalten. So sangen flämische Ostlandreiter:

 

       „Naer Oostland willen wy ryden,

       naer Oostland willen wy mêe,

       al over die groene heiden,

       frisch over die heiden!

       Daer isseren betere stêe“  46)

 

Es heißt auch, daß diese Wessis seinerzeit durchaus nicht mit leeren Händen gekommen seien: „Unternehmungslust, Thatkraft und reiche Erfahrung, bei dem Ausbau daheim gewonnen, brachte man mit; und auch an äußeren Mitteln durfte es nicht gänzlich fehlen. Die harte Arbeit des Rodens versprach erst nach Jahren Erfolg, erforderte aber von Anfang an die Einsetzung der ganzen Kraft und die Aufwendung immerhin nicht geringen Kapitals an Lebensmitteln, Gerätschaften und Einrichtung, und oft auch an barem Gelde.“ 47)

Das alles spielte sich in der großen weiten Welt ab und trieb Existenzgründer auch nach Wacswicz in den Jahna-Keppritz-Winkel. Man fand hier eine gewisse Geborgenheit. So bot sumpfiges Gestrüpp eine gewisse Sicherheit im Norden und Westen. Und der Boden, den man später einmal Lommatzscher Pflege nennen wird, erwies sich als fruchtbar. Aber das konnten die potentiellen Ostsiedler natürlich nicht wissen, wenn sie nördlich des Harzes oder an Weser und Leine saßen.

Hier mußte etwas unternommen werden! - Umsichtige Mitstreiter von Heinrich dem Ersten hatten nicht bloß das Land bis zur Elbe erobert und die Sorben militärisch bezwungen, sie hatten auch festgestellt, daß sich dort leben ließ und daß man sich dort ansiedeln kann. Und deshalb gingen sie gewissermaßen auf Sachsenfang: Man mußte Leute, denen es im Westen zu eng geworden war und die dort weiter nichts mehr werden konnten, weil beispielsweise Erbteilung das väterliche Anwesen schon bis zum Geht-nicht-mehr dezimiert hatte, für neue, anspruchsvolle Besiedlungsaufgaben gewinnen, ihnen Herausforderung und Lebensperspektive bieten.

So tauchten in den Siedlungen des Westens redegewandte Agitatoren auf, und diese warben für eine Landnahme wie weiland die Kinder Israels, wovon geschrieben steht im Buche Josua. Man nannte sie Lokatoren 48). - Und Interessenten gab es wahrlich genug: Bauern, Soldaten, Handwerker, Händler, verarmte Adlige... alle zogen sie gen Osten.

Hier konnte man was werden! Hier konnte man Herr sein, eigener Herr und Herr über die Sorben, die verloren hatten und die man domestizieren konnte. Nunmehr ging alles nach deutscher Art. Die ehemaligen Slawendörfer (Rundweiler) bilden sich zu deutschen Gutsdörfern um.

„Wasserburgen als frühe deutsche Feudalsitze entstanden am Ende des 12. Jahrhunderts. Diese Anlagen entwickelten sich fast alle zu Vorwerken oder Feudalgütern, von denen einige sich nach Erlangung verschiedener Patronatsrechte49)  zu Rittergütern erhoben.“ 50)

Genau das kann man für das mittelalterliche Wacswicz auch vermuten. Es soll in Jahnishausen ursprünglich eine Wasserburg gegeben haben. Man vermutet, daß sie auf der heutigen Insel im Parkteich, der von den Jahnishausenern Wal genannt wird, gestanden haben könnte. Natürlich könnte auch der Keppritzarm woandershin verlegt worden sein.

Später ließ sich der Lokator als Ritter nieder und siedelte Bauern und Handwerker am Orte an. Wer das in Jahnishausen nun als erster war, weiß man nicht. Erst 1389, wir wissen es nun, wird Bernhard von Canitz als Ritter auf Jahnishausen genannt. Ab 1463 weiß man daß die Jahnishausener Ritter aus der großen Schleinitzdynastie stammten.

Wer hat die Sachsen nach Jahnishausen geholt? - Wir wissen es nicht, wie der hieß. Aber wir wissen, daß es ein Lokator gewesen ist. Vielleicht hieß der schon Schleinitz? Vielleicht war es ein von Canitz, der im Auftrag von Schleinitz ausgesandt worden war? Und die Sachsen waren ursprünglich auch Flamen oder kamen vom Niederrhein. Sachsen wurden sie erst, weil sie tatkräftig die Markgrafschaft Meißen stärken halfen. Eine bemerkenswerte Rolle hat wohl Markgraf Otto 51) im Meißnischen Raum dabei gespielt: Man weiß, daß er das Kloster Alt-Zella „auf seine Kosten“ etabliert haben soll. Man nannte ihn Otto den Reichen, weil er mit Freiberger Silber um sich werfen konnte. Er konnte so Fachleute ins Land holen, Privilegien gewähren und kaufen, was käuflich war. So erreicht er innerhalb historisch kürzester Zeit in Sachsen das Niveau der entwickelten Regionen des Westens.

 

36) Angeln: westgermanischer Volksstamm im Gebiet der Landschaft Angeln in Schleswig, erstmals im 1. Jahrhundert n.Chr. von Tacitus erwähnt.

37) Angelsachsen: Bezeichnung für die im 5./6. Jahrhundert vom Festland auf die Britischen Inseln ausgewanderten germanischen Stämme der Sachsen, Angeln und Jüten, die die einheimischen Kelten verdrängten und mehrere Klein-Königreiche gründeten; im 6./7. Jahrhundert christianisiert und im 9. Jahrhundert unter Führung der Könige von Wessex geeint. 1066 von den Normannen unterworfen.

38) Illig, Heribert: Das erfunden Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte. Econ ³1997. S. 49ff.

39) Liudolfinger: (Ludolfinger, Ottonen), sächsisches Adels- und deutsches Herrschergeschlecht, regierte von der Wahl Heinrichs I. (919) bis zum Tod Heinrichs II. (1024).

40) Welfen: deutsches Fürstengeschlecht, Hannover, Braunschweig.

41) Heinrich der Löwe: *um 1129, †Braunschweig 6.8.1195, Herzog von Sachsen (1142-1180) und Bayern (1156-1180). Welfe; dehnte in Sachsen sei-nen Machtbereich bis zur Peene aus und sicherte den Ostseehandel durch Städtegründungen (u.a. Lü-beck, Braunschweig). Auf der Höhe seiner Macht überwarf sich Heinrich mit seinem Vetter, Kaiser Friedrich I., als er ihm 1176 auf dem 5. Italienzug die nötige Hilfe verweigerte. 1179 verfiel er der Acht, 1180 der Aberacht (Neuvergabe seiner Reichslehen) und ging nach seiner Kapitulation 1181 in die Verbannung nach England; 1194 Rückkehr in seine Eigengüter um Braunschweig.

42) Askanier: Dynastie in Nord-Deutschland, benannt nach der Grafschaft Ascharien (d.h. Aschersleben). Die Askanier herrschten in Brandenburg (bis 1319), Sachsen-Wittenberg (bis 1422), Sachsen-Lauenburg (bis 1689) und Anhalt (bis 1918).

43) Goldene Bulle: [nach ihrer goldenen Siegelkapsel], wichtigstes Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches, 1356 von Kaiser Karl IV. erlassen; kodifiziert u.a. in lateinischer Sprache das Recht der Königswahl, sichert die hervorgehobene Stellung der 7 Kurfürsten (Kurfürstenverfassung) und regelt das Zeremoniell für die feierliche Repräsentation des Reiches.

44) Wettiner: im sächsisch-thüringischen Grenzraum beheimatete Adelsdynastie, die sich nach der Burg Wettin an der Saale benannte; ab 1089/1123 Markgrafen von Meißen, ab 1247 Landgrafen von Thüringen; Friedrich I., der Streitbare (1381-1428), erhielt 1423 das Herzogtum Sachsen-Wittenberg mit der Kurwürde; 1485 Teilung in die Ernestinische Linie (bis 1547 Träger der Kurwürde, ab 1572 Zersplitterung [Sächsische Herzogtümer*]) und die Albertinische Linie (1547-1806 Kurfürsten, 1806-1918 Könige von Sachsen; 1697 bis 1706 und 1709-63 auch Könige von Polen).

*) Sächsische Herzogtümer: die Teil-Herzogtümer im thüringischen Raum, die das ernestinische Herzogtum Sachsen ab 1572 zersplitterten. 1826 umfassende Neuordnung in die Herzogtümer Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha; Sachsen-Weimar-Eisenach war bereits 1815 (Wiener Kongreß) zum Groß-Herzogtum erhoben worden (seit 1877 auch Groß-Herzogtum Sachsen genannt). Die 4 Sächsischen Herzogtümer traten 1867 dem Norddeutschen Bund und 1871 dem Deutschen Reich bei. 1918 dankten sämtliche thüringischen Fürsten ab; 1918-1921 entstand aus den thüringischen Freistaaten das Land Thüringen; Coburg fiel an Bayern.

45) E.O. Schulze: a.a.O., S. 73

46) zit. b. E.O. Schulze: a.a.O., S. 73

47) zit. b. E.O. Schulze: a.a.O., S. 74

48) Lokator: im Mittelalter ein im Auftrage seines Landesherrn Kolonisationsland verteilender Ritter. Er führte die Kolonisten in das Siedlungsgebiet und übernahm dort angekommen meist die Funktion des Grundherrn.

49) Patronat: Rechtsstellung des Stifters einer Kirche oder seines Nachfolgers (mit Vorschlags- oder Ernennungsrecht und Unterhaltspflicht für die Pfarrstelle); Schirmherrschaft.

50) E.O. Schulze: Verlauf und Formen der Besiedelung des Landes. In: Wuttke, R. (Hrsg.): Sächsische Volkskunde. Dresden 1900.

51) Otto der Reiche: *vor 1130, †1190; Marggraf von Sachsen. Förderte den Bergbau im Erzgebirge (Freiberg), woraus sich Reichtum ergab. Stifter des Zisterzienser-Klosters Alt-Zella als Hauptkloster und neue Grablege der Wettiner.

nach Oben

 

 

Riesa in mittelalterlichem Dunkel

Riesa ist zweifelsohne älter, als man so denkt. Riesa gab es schon, als es noch gar nicht Riesa hieß. Und die Sachsen waren es auch nicht, die Riesa seinen Namen gegeben haben. - So hat man auf dem Gucklitz Bodenfunde aus sehr früher Zeit freigelegt, die von den Fachkundigen der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur 52)  zugerechnet werden, was auch immer das sein mag. Ob das die Anfänge der späteren bekannten Riesaer Metallbearbeitung gewesen sind?

Wesentlich ergiebiger sind die Reste der bronzezeitlichen Lausitzer Kultur 53), die man in Riesa und um Riesa gefunden hat. Außerdem wissen die Fachkundigen weitere Riesaer Bodenfunde der Latènezeit 54), der germanischen Kaiserzeit, der Völkerwanderungszeit 55)  sowie der Zeit der Slawen zuzuordnen.

Als die Einwanderer aus dem Westen langsam zu Sachsen wurden, hatten die ortsansässigen bereits ihrem Ort den Namen Riezowe gegeben. Und den haben die Neuen übernommen, allerdings im Laufe der Zeit etwas „eingedeutscht  56)“.

Glaubt man den Namenforschern, dann dürfte Riesa seinerzeit ein befestigter Ort gewesen sein, worauf das Grundwort „-ow(e)“ hinweist. Das Bestimmungswort dürfte das slawische Wort „rěz“ sein, folglich der Ort, an dem man zuerst gerodet (geschnitten) hat. Anspruchsvoller ist dann schon die Deutung, Riesa als der Ort am Einschnitt im Gelände 57). Beides hat seine Logik. Herauszufinden, was nun die einzig wahre Variante ist, dürfte beckmesserisch 58) sein. Die Protokolle der Sorben, sollte es denn solche gegeben haben, sind nicht mehr vorhanden.

Die Ostexpandierer scheinen Wert darauf gelegt zu haben, daß die Nachwelt sich ihrer gut erinnern kann. Oder wie wäre sonst zu erklären, daß man gerade anno domini 1111 den Plan zur Gründung eines Klosters nahe der Elbe faßt? Das vergißt man doch nie!

Der damalige Bischof von Naumburg hatte es in seinem Zuständigkeitsbereich, dem Burgwardsbezirk Gröba, gegründet. Fatal für die späteren Riesaer, daß Gröba schon da war, als man sich noch mühsam durch das Dickicht jahnaaufwärts schlug und am Hang mit dem Klosterbau begann!

Nachdem das Kloster so einigermaßen seinen Ansprüchen gerecht geworden war, wurde es 1170 in ein Nonnenkloster umgewandelt. Die meisten Dörfer waren unter das Patronat des Klosters gekommen. Das Kloster hatte einen ansehnlichen Besitz und daraus folgernd auch die Macht am linken Elbufer. Die Elbfähre nach Promnitz, die mindestens schon seit 1197 existierte, riß das Kloster 1234 - auch wieder eine Jahreszahl, die sich die Nachwelt gut einprägen kann! - an sich und war so einflußreich, festzuschreiben, daß bis Strehla kein weiterer Fährmann die Elbe überqueren dürfe.

Und so lebte man in Risse, bis die „Wittenbergisch Nachtigall“ ihr aufrüttelndes Reformationsliedchen erschallen ließ: Das bisherige Riesaer Nonnenkloster wurde binnen drei Jahren, zwischen 1539 und 1542 „abgewickelt“. Damals hieß es wohl säkularisiret.

Riesa wurde 1623 sogar zur Stadt mit Stadtrecht gemacht. Allerdings waren wohl die Riesaer viel zu bescheiden, um sich als Städter zu verstehen. Das gereichte ihnen allerdings nicht zur puren Freude, denn „Riesa galt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer noch amtlich als Landgemeinde, nicht als Stadt“.

 

51) Otto der Reiche: *vor 1130, †1190; Marggraf von Sachsen. Förderte den Bergbau im Erzgebirge (Freiberg), woraus sich Reichtum ergab. Stifter des Zisterzienser-Klosters Alt-Zella als Hauptkloster und neue Grablege der Wettiner.

52) Aunjetitzer Kultur: Namensgeber dieser Kultur ist der Fundort Unětice (Aunjetitz) bei Prag. Es handelt sich um eine Kulturgruppe der frühen Bronzezeit (1800-1500 v.u.Z.), die sich im heutigen Mitteldeutschland bis nach Südpolen ausgebreitet hatte. Man hat erstmalig Hinweise auf Metallbearbeitung und Tauschhandel erhalten. Aus den unterschiedlichen Grabformen und Grabbeigaben läßt sich eine deutliche soziale Differenzierung erkennen.

53) Lausitzer Kultur: von Rudolf Virchow nach Urnenfeldern in der Niederlausitz benannte spätbronzezeitliche Kulturgruppe (13.-8. Jahrhundert v.u.Z.): Charakteristisch sind Brandbestattungen in großen Urnenfeldern, Buckelkeramik (d.h. mit riefen und Buckeln verzierte Tongefäße. Aus den Bodenfunden läßt sich auf Bodenbau und Viehzucht schließen, weniger von Bedeutung war die Metallbearbeitung, Höhenburgen als Wehranlagen sowie als politische und kultische Zentren. Träger dieser Kultur seien Illyrer und Slawen gewesen, was sich aber nur vermuten läßt.

54) La-Tène-Zeit: nach der Fundstelle La Tène am Neuenburger See benannte keltische Kultur der jüngeren vorrömischen Eisenzeit (5.-1. Jh. v.Chr.); im 3./2. Jh. von Britannien bis zur unteren Donau und von der Mittelgebirgszone bis Nord-Italien verbreitet. Kennzeichnend sind v.a. gemeinsame Züge in der Ornamentik und in den Schmuckformen (La-Tène-Stil), ferner eiserne Waffen (besonders Schwerter- und Lanzenspitzen); in der Spätphase größere stadtartige Siedlungen (als Handels- und Produktionszentren). Durch Übernahme mediterraner Techniken (z.B. in Glasverarbeitung, Metallurgie, Keramik) verdichteten sich besonders im 1. Jh. v.Chr. die Kulturverbindungen zur späthellenistischen Kultur. Einteilung in ältere (A und B, 5.-3. Jh.), mittlere (C, 3./2. Jh.) und späte (D, 1. Jh.) La-Tène-Zeit .

55) Völkerwanderung: Bezeichnung für Wanderungen germanischer Stämme im 2. bis 6. Jh., die im Zusammenhang mit Krise und Untergang des Weströmischen Reiches sowie dem Übergang zum mittelalterlichen Europa gesehen werden.

56) Rezowe (1186), Rissaw (1378), Riesse (1499). Bei letzterem ist es aussprachemäßig geblieben. Der S-Laut in des Wortes Mitte wird stimmlos artikuliert, obwohl er im Silbenanlaut steht.

57) Werte unserer Heimat, Band 30. - Um Oschatz und Riesa. Berlin 1977, S. 62.

58) Beckmesserei: nach Sixtus Beckmesser aus Wagners Oper ›Die Meistersinger von Nürnberg‹, kleinliche, haarspalterische Kritik. 

nach Oben

 

 

Meißen

So ganz genau weiß man nicht, welche Beziehungen zwischen Jahnishausen und Meißen bestanden haben oder besser: wie die Beziehungen im finsteren Mittelalter gewesen sein mögen. Die Experten haben allerdings ziemlich sicher herausgefunden, daß Meißen zu den ältesten Orten gehört. Es war eine der ersten Städte. Es war von Gewicht in mancherlei Belangen. Das wurde vor allem nach dem Jahre 900 deutlich.

Was vor der Zeit Heinrichs I. in Meißen und den umliegenden Ortschaften so los war, ist kaum zu erfahren gewesen. Wie man die Leute und die Zeiten früher so kennt, kann man wohl davon ausgehen, daß sich schon Schnur- und Bandkeramiker zur Bronzezeit das Burgbergplateau erobert hatten und hinunter zur Elbe und in die westliche Flur Ausschau nach bösen Zeitgenossen und Feinden gehalten haben. Allerdings hätten entsprechende Grabungen auf der Burg noch keinen Hinweis geboten, daß seinerzeit irgendein bemerkenswertes Mauerwerk auf dem Felsen errichtet worden wäre.

Worauf die Meißner besonders stolz sind, ist der Fund einer reich verzierten Prunkaxt unterhalb der Burg in der Elbe. Es ist eine bronzene Schaftlochaxt, wie sie in der Meißner Gegend einmalig ist. Die Experten vermuten, daß sie von anderswo nach Meißen verbracht worden ist. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, was sich da zugetragen haben könnte. Die prosaische Variante wäre wohl die des Austauschs gegen was auch immer. Mehr solche Äxte habe man an der Donau gefunden. Man nimmt an, daß sie aus dem 13. Jahrhundert v.u.Z. stammt.

Als die Illyrer die Gegend ohne viel Spuren verlassen hatten, rückten die Slawen nach und blieben rund tausend Jahre um Meißen herum seßhaft. Sie hatten einen für damalige Verhältnisse beachtlichen Staat, eine Verwaltungseinheit, einen Gau... oder wie man das auch aus heutiger Sicht bezeichnen mag, geschaffen: den Gau Daleminze 59). Auch als immer mehr Ritter und Glücksritter aus dem Westen auftauchten, fochten sie den Gau Daleminze als Verwaltungseinheit der Sorben nicht an. Die Sorben durften sich noch geraume Zeit selber regieren. Das Heil des Christentums blieb ihnen noch lange versagt. Das blieb auch noch so, als Heinrich I. mit der Ostausdehnung des Reiches ernst machte und 928 die Daleminzier besiegte.

 

59) Daleminze: Der Gauname wurde vermutlich von den Sorben als Bezeichnung einer vorslawischen Bevölkerung vorgefunden. Seit 805 werden die Daleminzier in den ältesten schriftlichen Quellen mehrfach erwähnt.

nach Oben

 

 

 

Das Rittergut und seine Ritter

Bis in die Gegenwart hinein wird noch vom Rittergut Jahnishausen gesprochen. Damit ist allerdings auch das Wesentliche gesagt: Es war ein Gut der Ritter. Ritter waren es offenbar, die es geschaffen und besessen haben. Ritter waren vor allem im Mittelalter aktiv.

„Ein großer, wahrscheinlich der größte Teil von ihnen entstammte [...] niederen Kreisen. Als ‚milites agrarii‘, als Dienstmannen bäuerlicher Art, waren sie ins Land gekommen und hatten dort ein kleines Lehen, eines der kleinen Sorbendörfer mit insgesamt vielleicht 100-150 ha Ackerland erhalten. - In der ältesten Zeit genügten die Erträge davon für ihre Bedürfnisse. Inzwischen war aber ihre soziale Stellung bedeutend gehoben; das 11.-12. Jahrhundert brachte auch hier die endgültige berufsmäßige Scheidung zwischen bäuerlicher und ritterlicher Art. Als ritterliche Ministerialen verschmolzen sie allmählich mit den früheren Edlen zu dem führenden Stande des ritterlichen Lehnsadels. Zugleich war die allgemeine Lebenshaltung bedeutend gestiegen, teils unter dem Einfluß der westlichen Entwicklung, vor allem aber unter dem der Kreuzzüge, die ganz andere Lebensanschauungen und vorher unbekannte Bedürfnisse auch in den ritterlichen Kreisen verbreiteten.“ - Kurzum, das Land wie das Rittergut nährte seinen Ritter, dessen Bedürfnisse ständig stiegen, nicht mehr. Und wenn man keine Wälder zum Roden hat und keine andere Fläche urbar machen kann, kommt schließlich auch einmal die Idee, auf unredliche Weise aus prekärer Lage herauszukommen: Intrigen, Übervorteilung, kriminelles Handeln. Oder man wurde gleich zum Raubritter.

Warum sollte das nicht auch in Jahnishausen so gewesen sein? Man sieht sie heraufziehen, natürlich zu Pferde, denn Ritter ist ja einer, der reitet. Man muß an Ritterrüstungen denken, denn Ritter ritten in den Kampf. Ritter dienten dem König. Ritter hoben sich deutlich von Nicht-Rittern ab.

Das Rittertum stellte eine ganze Kulturepoche dar... Man muß an Minnesang denken. Man weiß nicht, ob der auch in Jahnishausen zu hören war, denn man weiß ja auch nicht so genau, ob ein jeder Ritter Lieder über seine Minne oder über seine Minna zu singen wußte. Sollte es gar ein höfisches Epos über Jahnishausen gegeben haben, so harrt es noch der Wiederentdeckung. Minnedienst, Schutz der Schwachen und der Kirche, das war das Anliegen der Ritter. Und dabei brauchte man durchaus selbst nicht leer auszugehen. - Seine Krönung fand das Ritterleben in der Teilnahme an einem Kreuzzug.

Ob ein Ritter von Canitz oder einer von Schleinitz dem Ruf, Ordnung im Heiligen Land zu schaffen, nachgekommen ist, ist wohl nicht bekannt. Und ob die Jahnishausener Ritter sich zu den Templern, dem Johanniterorden (Malteser), dem Deutschen Orden oder dem Schwertbrüderorden bekannten, darüber sollten die Experten spekulieren.

Interessant könnte es schon sein, zu erfahren, wie so ein Jahnishausener Ritter zum Ritter auf dem Rittergut Jahnishausen geworden ist. Gewiß mußten des Ritters Kinder den Umgang mit Pferden sowie das Reiten erlernen. Vielleicht hat es vor mehr als 600 Jahren auch Zweikämpfe und Turniere 60)  auf der späteren Fußballwiese gegeben. Es könnte schon sein, daß da die Ritter aus der Dynastie von Schleinitz gegen die der Familie von Kötteritz angetreten sind. Ritter konnte man nur über eine festgelegte Ausbildung werden, die mit der Schwertleite 61)  belohnt wurde. Die Krönung war dann der Ritterschlag, der die festliche und symbolische Aufnahme in die Ritterschaft bedeutete.

Aber wer die Ritter seinerzeit in der Meißner Gegend zu Rittern geschlagen hat und wo das dann geschah, ist nicht direkt überliefert. Da wir aber wissen, daß Ministeriale 62)  und Haudegen 63)  aus den militärischen Auseinandersetzungen vom König in den Ritterstand erhoben worden sind, nehmen wir ganz einfach an, daß Kaiser Heinrich I. 64)  und danach sein Sohn Otto I. 65)  gelegentlich ihrer Dienstreisen nach Meißen dortselbst dann auch Ritterschläge ausgeteilt haben. So wollen wir ganz einfach behaupten, Bernhard von Canitz sowie Dietrich und Johann von Schleinitz wurden nach Meißen bestellt und kehrten dann als frischgeschlagene Ritter wieder nach Seerhausen, Canitz oder Jahnishausen zurück.

 

60) Turnier: Waffenspiele zu Pferd oder zu Fuß (11. bis Mitte 16. Jh.); Ziel war die Demonstration der vollkommenen Beherrschung von Pferd und Waffe. Beim Zweikampf (Tjost) mußte der Gegner mit der Lanze aus dem Sattel gehoben (Gestech) oder an einer bestimmten Stelle getroffen werden (Rennen); ab dem 13. Jh. wurden die Turnierwaffen entschärft; kirchliche Verbote blieben wirkungslos.

61) Bekundung der Mündigkeit und Waffenfähigkeit.

62) Ministeriale: Angehörige des mittelalterlichen Dienstadels.

63)  Haudegen: alter, erprobter Krieger; Draufgänger

64) Heinrich I.: *um 875, †Memleben 2.7.936, Her-zog von Sachsen (seit 912), König (seit 919). Brachte Böhmen und die Elbslawen unter die Oberhoheit des Reichs (934 auch Teile der Dänen); besiegte die Ungarn 933 bei Riade mit einem Heer aus allen Stämmen, wodurch er innenpolitisch das Reich konsolidierte; außenpolitischer Höhepunkt war 935 der Erwerb Lothringens.

65) Otto I.: der Große, *23.11.912, †Memleben bei Naumburg/Saale 7.5.973, deutscher König (seit 936), Kaiser (seit 962).

nach Oben

 

 

 

Die Ritter von Schleinitz in Jahnishausen

 1.

Die Geschichte Jahnishausens beginnt konkret erst um das Jahr 1500 herum. Ältere Quellen sind rar, aber wahrscheinlich zählte Jahnishausen in dunkler Vorzeit nicht zu den herausragenden, geschichtstragenden Orten. Gewiß ist auch noch vieles „offen“, denn so viele Interessierte und dazu auch noch Fachkundige haben sich wohl kaum mit Jahnishausener Historie befaßt. Das findet keinen „Abnehmerkreis“, modern formuliert: Das rechnet sich nicht!

So ist es wohl das Beste, bereits Bekanntes darzustellen und ein wenig „abzubürsten“ oder vielleicht gar „gegen den Strich zu kämmen“. Mitunter hat das schon zu einer neueren Sicht verhelfen können.

Im Jahre 1500 besaß Johann von Schleinitz das Rittergut Jahnishausen. Er war Ritter und hatte den Besitz von seinem Vater übernommen, der auch Johann von Schleinitz hieß. Ihm war das Gut um das Jahr 1450 herum zugefallen. Ob er es gekauft hatte, ob er etwa eine Tochter derer von Canitz geheiratet hat, ist nicht zu erfahren. Möglich, daß alles noch ganz anders gewesen sein könnte.

Just im Jahre 1500 verstirbt Ritter Johann von Schleinitz, der Hauptmann zu Meißen und Obermarschall gewesen war. Als solcher hatte er seinem Landesfürsten gedient. Eigentlich hatte er „zweyn Herren“ gedient: Es war die unselige Zeit der Herrschaft von Ernst und Albrecht, an deren Ende eine Teilung Sachsens stand.

Angefangen hatte alles 1455 mit dem Prinzenraub zu Altenburg: „Ritter Kunz von Kaufungen, ein Lehensmann Kurfürst Friedrichs II. 66), fühlte sich für die im Kriege erlittenen Einbußen unzulänglich entschädigt, verklagte seinen Fürsten vor dem Hofgericht in Leipzig, kam aber mit seinem Begehren nicht durch. So entschloß er sich, Friedrichs Söhne Ernst und Albrecht als Faustpfand zu nehmen. 67)

Unrecht konnte auch damals schon nicht zum Erfolg führen: Kunz von Kaufungen wurde unter allgemeinem Beifall mitten auf dem Freiberger Marktplatz der Kopf abgeschlagen. -

Knapp zehn Jahre später, 1464, wurden die Prinzen Amtsnachfahren ihres Vaters: Ernst, der Ältere, erhielt des Vaters Kurwürde. Bruder Albrecht war bis 1500 Herzog von Sachsen. Beide regierten bis 1485 brüderlich das vom Vater übernommene Reich. Dank der Silberfunde im Erzgebirge war das damalige Land Sachsen reich. Es reichte seinerzeit von östlich der Elbe bis zu Werra und Main im Westen und vom Erzgebirgskamm bis in die Nähe des jungen Berlins 68) . Als Residenzstädte waren Dresden, Meißen, Torgau und Wittenberg benannt. Damit zählte das Fürstenhaus Wettin zu den mächtigsten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

Aber es konnte nicht ausbleiben, daß Zank und Streit unter den fürstlichen Brüdern entstand: 1485 spitzte sich die Lage gewaltig zu. In Leipzig standen sich die fürstlichen Brüder nunmehro als fürstliche Kontrahenten gegenüber. Ernst wollte das väterliche Erbe teilen, Albrecht war dagegen. „Ernst, der ältere, hatte nach altem sächsischen Rechtsbrauch den Teilungsvorschlag einzubringen, Albrecht, der jüngere, durfte wählen. Albrecht entschied sich für den meißnisch-osterländischen 69)  Teil mit Leipzig und Dresden. Für Ernst, der ohnehin den Kurkreis mit Wittenberg behielt, blieb Thüringen mit fränkischen Besitzungen. Das Schneeberger Bergrevier wurde von der Teilung ausgenommen und weiterhin gemeinschaftlich verwaltet. 70)“  - Fortan ging Sachsen in ernestinischer Linie 71)  und in albertinischer Linie 72) durch die Läufte der deutschen Geschichte.

Alles das nahm Johann von Schleinitz in Jahnishausen oder dienstlich in Meißen mit Bangen wahr, und er schloß sich um so mehr seinem Landesfürsten, dem Herzog Albrecht von Sachsen, an. Gewiß war er gegen die Teilung gewesen, denn damit war die sächsische Machtposition auch geteilt. Doch seinem Herzog eiferte er nach. Nicht umsonst hieß der ja auch Albrecht der Beherzte (Albertus animosus). Er war so streitbar wie sein Großvater Friedrich der Streitbare schon gewesen war. Er hatte für die Stabilität im Lande gesorgt. Er hatte sich verdient gemacht. Er galt als „des Kaisers gewaltiger Marschall und Bannermeister“ und als „die rechte Hand des Reiches“. Er hatte Karl den Kühnen 73)  und Matthias Corvinus 74)  das Fürchten gelehrt. An der Befriedung der Niederlande war er maßgeblich beteiligt. Weil er sich vor allem um auswärtige Angelegenheiten sorgte, legte Albrecht für sein Haus die „Väterliche Ordnung 75) “  fest und betraute indes seinen 17jährigen Sohn Georg 76) mit der Verwaltung des Herzogtums Sachsen.

Wir wissen nicht, an welchen Kämpfen und Aktionen Ritter Johann von Schleinitz tatsächlich teilgenommen hat. Als Lehensmann war er auf Albrecht, seinen Landesherren, eingeschworen. Außerdem gehörte er zu einer angesehenen Familie, in der es kein Kneifen gab. „Mehrere Glieder dieses Geschlechtes fechten mit Herzog Albrecht dem Beherzten in den Niederlanden, der lange Georg von Schleinitz fällt 1500 bei Hemmingstedt gegen die Diethmarscher Bauern... 77)

Aber es könnte ja sein, daß Johann von Schleinitz, Ritter zu Watzschwitz, der Hauptmann zu Meißen und Obermarschall, an der Seite seines Herzogs Albrecht mit für Ordnung bei den Friesen sorgen wollte und dabei den Heldentod gestorben ist. Die runde Jahreszahl und das tragische Schicksal seines Verwandten, des langen Georg, nähren solche Vermutungen.

Offensichtlich hat Johann von Schleinitz in seinem Haus Watzschwitz auch klare Verhätnisse geschaffen, denn über einige Generationen hinweg bleibt Watzschwitz im Besitz der Familie, wird gemehrt und gefestigt. Und immer wieder wird es, solange ein solcher da ist, auf einen Sohn Johann weiter vererbt. Ob da nicht Albrechts Beispiel mit der „Väterlichen Ordnung“ gegolten hat? Oder ist alles nur ein Zufall?

Man kann auch vermuten, daß es Johann von Schleinitz (jun.) und seinem Freundeskreis wichtig ist, des Vaters Verdienste bleibend zu würdigen, indem man die slawische Ortsbezeichnung „Watzschwitz“ durch die deutsche „Jahnishausen“ ersetzt. - Ab 18. September 1503 soll „Jahnshausen“ oder „Jhanshausen“ in den Urkunden aufgetaucht sein. Allerdings läßt dabei die Datumsangabe Raum für Spekulationen. Vielleicht war‘s der 70. Geburtstag, vielleicht der dritte Todestag?

Der neue Johann legte sich ganz im Sinne des Vaters ins Zeug und tat alles für sein Rittergut „Watzewicz iczunder Jhonshausen“. Das bislang eher vorwerkartige Gut befestigte er und ließ es zu einem wirklichen Herrensitz werden. Und schon tut sich die Frage auf: Zu welchem größeren Gute könnte denn Jahnishausen bisher gehört haben, wenn es im Range eines Vorwerks gestanden hat? - Auf Riesa gibt es keine Hinweise. Auf Seerhausen? Vielleicht eher auf Schleinitz, dem Stammsitz? Eine besondere Beziehung hat es wohl auch einmal zu Rauselitz gegeben? Jahnishausen gehörte zur Amtssupanie Rauselitz - Eine interessante, aber vorerst nicht zu beantwortende Frage!

Vor 1500 wird wahrscheinlich auch die erste befestigte Burg errichtet worden sein. Über deren Standort, Größe und Aussehen ist nichts überliefert. Für die Familie von Schleinitz hatte sie eine Doppelfunktion: Wohnen und Wehren. In Jahnishausen waren die natürlichen Mittel zur Wehr recht bescheiden. Man mußte auf sorbische Vorerfahrungen zurückgreifen. - Nehmen wir einmal an, daß Jahrhunderte zurück der Sorbenadelige Vadec dort residiert hat, dann mußte er ja auch seine Residenz schützen. Vielleicht waren sogar noch Reste aus der Sorbenzeit vorhanden.

Als Schutz kamen in der Auen- und Sumpf-landschaft das Erlenbruchdickicht mit seinem sumpfigen Boden und die Bachläufe in Betracht. Dementsprechend wird Johann von Schleinitz eine Wallburg angelegt haben. Man kann annehmen, daß man den Keppritzlauf als Wall genutzt hat. Der Name für den späteren Parkteich läßt das stringent erscheinen. Und man will sogar in der Insel die Basis der ehemaligen Wasserburg vor sich haben 78).  Inwieweit man hier nur in naiver Weise Vermutungen hegt, ist schwer zu belegen. Mauerreste oder mit Steinen befestigtes Ufer gibt es auf der Insel nicht. Bei Grabungen welcher Art auch immer ist man dort erwiesenermaßen nie auf Reste einer solchen Burg gestoßen. Wenn auf der heutigen Insel tatsächlich die Schleinitzsche Burg gestanden hätte, müßte es steinerne Überreste dort geben. Die könnten nicht vom Erdboden verschwinden.

Allerdings ist das Ufer landseitig, gewissermaßen parallel zum heutigen Schloß mit Bruchsteinen befestigt. Die sogenannte Walmauer stellt einen abrupten Abschluß des Wals dar. Entweder hat man hier das Wal zugeschüttet oder es handelt sich um die Grundmauer eines massiven Gebäudes.

Aus diesen Gegebenheiten könnte man folgendes hypothetisch ableiten:

-   Die Burg der Ritter von Schleinitz war eine Wasserburg.

-  Sie dürfte unweit nördlich vom späteren Schloß, unmittelbar am Wal gestanden haben. Zwischen Schloß und Wal hat man früher immer wieder Bruchsteine und Mauerreste gefunden.

-   Für diesen Standort spricht auch, daß man die Steine der ruinös gewordenen Schleinitzschen Burg unmittelbar wieder für den Neuaufbau des Schlosses benutzt hat. Ein umständlicher Transport neuer Steine aus Gostewitz wäre mühsam, zeitaufwendig und letztlich auch teuer geworden.

-  Mit relativ wenig Phantasie könnte man sich vorstellen, daß man einen Wal-Arm im Zusammenhang mit dem Schloßbau zugeschüttet hat. - Die frühere Wasserburg dürfte auch südlich von einem Graben umgeben gewesen sein, der sich wie folgt erstreckte: unter den Kastanien, „Grünstreifen“ längs der Südfront des Schlosses, Verbindung zum Wal irgendwo zwischen Buchengang-Anfang und Inselbrücke.

-   Das alte Gutsgebäude im Winkel könnte sowohl diesseits oder jenseits des ehemaligen Grabens errichtet worden sein. Es wird gewiß zur Zeit der alten Burg noch nicht existiert haben.

 Wielange man tatsächlich an der alten Burg gebaut haben könnte und wer dabei der Bauherr gewesen ist, wird man wohl nicht mehr erfahren können. - Aber bei so vielen gleichnamigen Schleinitz-Rittern rät man ja mit dem Namen fast immer richtig!

 

66) Friedrich II.: der Ernsthafte, 1428-1464; Kurfürst; heiratete 1329 die Kaisertochter Mathilde. Beim Tod seines Schwiegervaters Kaiser Ludwig IV., des Bayern, im Jahre 1347 lehnte er die Kaiserwürde ab.

67) Ingo Zimmermann: Sachsens Markgrafen, Kurfürsten und Könige. München, Berlin 1997, S. 62.

68) Zwischen 1230 und 1240 gründeten die brandenburgischen Markgrafen auf dem rechten Spreeufer die Stadt Berlin; Kölln und Berlin wuchsen bald zur Doppelstadt zusammen (1307 Union); Mitglied der Hanse; seit 1470 ständige Residenzstadt der Kurfürsten von Brandenburg.

69) osterländisch: das Gebiet zwischen Torgau, Leipzig und Wurzen betreffend.

70) Ingo Zimmermann: Sachsens Markgrafen, Kur-fürsten und Könige. München, Berlin 1997, S. 63.

70) Ernestinische Linie: bis 1547 Träger der Kurwürde, ab 1572 Zersplitterung in Sächsische Herzogtümer: die Teilherzogtümer im thüringischen Raum. 1826 umfassende Neuordnung in die Herzogtümer Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg und Gotha; Sachsen-Weimar-Eisenach.

71) Albertinische Linie: 1547-1806 Kurfürsten, 1806-1918 Könige von Sachsen; 1697 bis 1706 und 1709-1763 auch Könige von Polen.

72) Karl der Kühne: *Dijon 10.11.1433, †Nancy 5.1.1477 (gefallen), Herzog (seit 1467). Sohn Philipps des Guten; 1473 Anschluß Lothringens an das Königreich Burgund. Durch die Heirat seiner Tochter Maria mit Maximilian)I. fiel der Großteil der burgundischen Länder an das Reich.

73) Matthias I. Corvinus: (Matthias Hunyadi), *Klausenburg 23.2.1440 (1443?), †Wien 6.4.1490, König von Ungarn (seit 1458), von Böhmen (seit 1469). Sohn von János Hunyadi; mit dem böhmischen Gegenkönig Wladislaw II. (Wenzel), mit Georg von Podiebrad und Kunstatt und Kaiser Friedrich III. schloß er 1479 den Frieden von Olmütz, der ihm Schlesien, Mähren und die Lausitz brachte; vertrieb Friedrich III. (ab 1477) aus Niederösterreich, der Steiermark und Wien.

74) „Väterliche Ordnung“: Hausgesetz des albertinischen Fürstenhauses aus dem Jahre 1499, das, kaiserlicherseits bestätigt, die Primogenitur-Erbfolge (Erbrecht des ältesten Sohnes an der Landesherrschaft) festlegte und damit eine künftige Teilung Sachsens umöglich machte.

75) Primogenitur: in fürstlichen Häusern das Anrecht des Erstgeborenen (meist des erstgeborenen Sohnes) auf die Erbfolge in das Hausgut und die Thronfolge. - Auch Bezeichnung für die (männliche) Hauptlinie im Gegensatz zur Sekundogenitur, der von einem nachgeborenen Sohn begründeten Nebenlinie.

76) Georg der Bärtige: (Georg der Reiche), *Meißen 27.8.1471, †Dresden 17.4.1539, Herzog (ab 1500). Versuchte die Ausbreitung der Reformation in Sachsen zu verhindern; unterdrückte den Bauernkrieg in Thüringen.

77) Zimmermann, I.: a.a.O., S. 64. - Die Bauernrepublik Dithmarschen wahrte vom 13. Jahrhundert an eine weitgehende Selbständigkeit (1500 Sieg des Volksheeres bei Hemmingstedt über ein dänisches Heer). 1559 unterwarfen der dänische König und die beiden Gottorfer Herzöge das Land. 1581 in eine südliche dänische Hälfte und eine nördliche Gottorfer Hälfte (1773 ebenfalls dänisch) geteilt.

78) cf. Schuster, Karl: In: Werte unserer Heimat. Heimatkundliche Bestandsaufnahme in der Deut-schen Demokratischen Republik. Um Oschatz und Riesa. Berlin 1977, S. 134.

nach Oben

 

2.

Johann von Schleinitz, der Dritte, ließ das Dorf Jahnishausen nennen und machte etwas daraus. Er wollte beim Vergleich mit anderen Schleinitzen nicht als armer Verwandter dastehen. Offenbar war er jung und dynamisch und verstand die Zeichen der Zeit. Und die hatte Martin Luther, die „Wittenbergisch Nachtigall“, gesetzt.

Wie für alle sächsischen Ritter war auch für Johann von Schleinitz die Doppelherrschaft mit nachfolgendem Krach im Haus der Landesfürsten etwas Unangenehmes und Unwägbares gewesen. Zu wem sollte man halten? War es Ernst oder war es Albrecht, dem die Zukunft Sachsens gehörte? - Georg, der neue Landesfürst, den man auch den Bärtigen nannte, war ein starker Mann, mächtig und reich. Er war konservativ und ein Feind ketzerischer Gedanken, wie sie aus Wittenberg bekannt wurden. In seinem sächsischen Reich sollte es keine Abkehr vom alleinseligmachenden katholischen 79)  Glauben geben. Georg war ein kluger Mann, hochgebildet, aber nach der Leipziger Luther-Eck-Disputation - der eine nannte den andern „Luder“ und der andre den einen „DrEck“ - stand es für ihn fest, der Luther wird gefährlich. Und Georg der Bärtige war zum Gegner lutherischen Gedankenguts geworden. Nach seinem Tode 1539 schwang sein Bruder Heinrich, den man auch den Frommen genannt hat, für zwei Jahre das sächsische Zepter. Er überließ sein Land bereitwillig dem Luthertum.

Johann von Schleinitz hatte lutherisches Gedankengut aufgenommen. Er war offenbar klug genug, das Neue zu erkennen. Gewiß mußte er sich erst einmal im Lavieren 80) üben: Mit Georg konnte er sich nicht ungestraft anlegen, mit Friedrich dem Weisen, der Luther förderte, hielt er es mehr. Johann von Schleinitz fühlte sich offenbar arg im Zwiespalt. Weil er’s offenbar genau wissen wollte, hat er sich direkt an Luther gewandt, der ihm auch persönlich geantwortet hat. Die genaue Fragestellung ist offenbar nicht mehr existent, wohl aber die Antwort von Luthern 81).

So geschah es, daß einer von Schleinitz‘ Untertanen, ein Junggeselle, der noch katholisch war, eine Witwe zur Frau nehmen wollte, deren verstorbener Mann besagtem Mann beziehungsweise Junggesellen einst das Firmtuch 82)  umgebunden hatte. Nach der katholischen Lehre ist dies im vorliegenden Falle nicht ohne weiteres möglich, denn die Firmpatenschaft wie auch die Taufpatenschaft haben im anderen Glauben eine gewisse geistliche Verwandtschaft zur Folge, die es genau wie bei Blutsverwandten untereinander verbietet, gegenseitig eine Ehe miteinander einzugehen. In gewissen Fällen kann zwar hier um Dispension 83)  nachgesucht werden. Da Dispension nur von hohen Kirchenfürsten oder vom Papst selbst ausgesprochen werden kann, ist dies sehr schwierig und außerdem sehr teuer [100 Dukaten]. Im Falle der hier überlieferten Betrachtung hatte sich der Junggeselle bereits an den Bischof von Meißen 84)  gewandt. Jedoch ohne Erfolg.

Johann von Schleinitz, der dem jungen Paar helfen wollte, wandte sich kurzerhand an den Reformator Luther und erbat sich dessen Meinungsäußerung für diesen besonderen Fall.

In einem Brief vom 18. Juni 1523 antwortete Luther dann auch. Unter anderem schreibt er:

"Ist nun die Frage, ob das heiße, Frauen feilhaben oder verkaufen oder rauben? Mir ist kein Zweifel, Euer und eines jeglichen Biedermanns Verstand werde hier großen Mißfall innehaben, sich schämen, daß Geld kann Unrecht zu Recht machen, bei solchen großen heiligen Leuten, die da Türken fressen und Ketzereien vertilgen und die heilige Kirche Gottes reinfegen und seliglich zu regieren vorgeben. Uns wäre es freilich eine große Schande, wenn es vor den Türken oder Heiden käme, daß unsere obersten Häupter so blinde, verstockte Narren sind und so unverschämt sich und uns alle zur Schande setzen. Denn, wenn hundert Dukaden so mächtig sind, daß sie das Gesetz von der Gevatterschaft aufheben, sollte doch vielmehr die Liebe, die Gott selber ist, so viel gelten, daß sie ohne Geld, umsonst ihrem Nächsten ein toll blind Menschengesetz aufhöbe."

Luther schreibt in seinem Brief weiter:

„Ich will wieder zu dem Artikel der Gevatterschaft kommen und meine Meinung dazu sagen, die ich vorhin habe ausgehen lassen. Aufs Erste: Zur Ehe zu greifen, sollte man weder Gevatterschaft noch Patenschaft ansehen, auch weder Papst noch Bischöfe darum ersuchen, sondern frei dahin nehmen, ein Pate den anderen, ein Gevatter den anderen und der Pate den Gevatter und wiederum. Ursach ist die, daß Gott frei gesetzt hat und nicht verboten. Was aber Gott frei gesetzt hat und nicht verbeut, das sollen alle Engel und Kreaturen nicht binden noch verbieten, bei Verlust der Seligkeit. Darum mein treuer Rat, daß in gegenwärtigem Fall der Mann das Weib nun frei und getrost nehme zur Ehe und lasse sich weder Gevatterschaft noch Patenschaft irren, und er ist vor Gott schuldig, solcher nur zum Trotz und zuwider beide Papst und Bischof, zu tun, geschweige, daß er sie sollte darum grüßen oder fürchten. Es ist anzusehen, daß ein viel größerer Ding ist, daß wir allesamt einerlei Taufe, Sakrament, Gott und Geist haben, dadurch wir alle geistliche Brüder und Schwestern werden. So denn nun diese Brüderschaft nicht hindert, daß ich eine Magd nehme, die mit mir dieselbe Taufe hat, warum sollte nichts hindern, daß ich sie aus der Taufe gehoben hätte, was viel geringer ist? Der böse Geist hat solche Gesetze erdichtet, Gott sein frei Regiment zu schänden und danach Geldstücke daraus zu machen." (Zu Wittenberg, Donnerstag nach Viti, Anno 1523, Martinius Luther D.J.Th.)

 

Selbstredend erfuhren auch damals Landesfürst Georg mit dem Barte wie auch Gevatter Bischof in Meißen davon, daß da ein Vasall hinterrücks um Rat nach Wittenberg geschickt hatte. Natürlich waren ihm darob Landesfürst Georg wie Bischof Johann VII. von Schleinitz nicht mehr all zu gewogen. Wie sie beide reagiert haben, was sie im einzelnen getan haben, um den abtrünnigen Johann von Jahnishausen wieder auf den rechten Weg zu bringen, ist nicht überliefert. Man weiß allerdings, daß sowohl Landesfürst als auch Kirche nicht zimperlich waren, wenn es galt, verlorene Schafe wieder einzufangen.

Johann von Schleinitz, Ritter auf Jahnishausen, starb ein reichliches Jahr darauf. Eine Diagnose seines Todes liegt nicht vor.

Johann von Schleinitz war offenbar ein dem Volke zugewandter Herr. Er hätte es doch im allgemeinen nicht nötig gehabt, sich wegen eines heiklen Heiratsfalles in Untertanenkreisen mit Landesfürst, Bischof und der altehrwürdigen Kirche anzulegen! Er tat’s dennoch und bekannte sich zu Luther. Offenbar gab’s auch damals schon Courage und Rechtschaffenheit. Als er 1525 gestorben war, nannte man das Dorf fortan nur noch Jahnishausen, ihm zu Ehren.

 

79) katholisch: seit dem 2. Jahrhundert auf die von Jesus Christus ›für alle‹ [katholikós] gestiftete Kirche bezogen

80) lavieren: mit Geschick Schwierigkeiten überwinden, vorsichtig zu Werke gehen, sich durch Schwierigkeiten hindurchwinden; im Zickzack gegen den Wind segeln (Seemannsspr. veraltet).

81) Schönitz/SZ/zit.: Irmscher: Deutsche Briefe I/174, Band 53, Wittenberger Ausgabe VI 253

82) Firmung: Sakrament der katholischen Kirche, das Jugendlichen im Alter von 7 bis 12 Jahren i.d.R. vom Bischof durch Handauflegung, Salbung, Gebet gespendet wird.

83) Befreiung von einer Verpflichtung.

84) Dieser Bischof von Meißen war Johann VII. von Schleinitz, ein Verwandter des Herrn auf Jahnishausen, wie unschwer vermutet werden kann.

nach Oben

 

 

3.

Johann III. von Schleinitz, Herr auf Jahnishausen verstirbt 1525 „ohne Leibeserben“. Ihm zu Ehren bleibt es bei der Ortsbezeichnung „Jahnishausen“, die er schon eingeführt hatte, um seinen Vater zu würdigen.

Jahnishausen erbt Dietrich von Schleinitz, Ritter zu Seerhausen und Bruder des Jahnishauseners. Allerdings bleibt das nur für drei Jahre so, dann überläßt Dietrich von Schleinitz 1528 das Rittergut Jahnishausen seinem jüngsten Sohn, der auch Dietrich von Schleinitz heißt.

Offenbar versteht es dieser Dietrich, die Herrschaft auszubauen und zu mehren. Er kauft „die noch fehlende Hälfte von“ Pausitz und begründete „die dasige Pfarrei“ 85). Aus der Pausitzer Chronik erfährt man: Kirchenpatron wurde der Guts-, Erb- und Gerichtsherr auf Jahnishausen, ein Dietrich von Schleinitz. Der Gutsherr hatte das „Präsentationsrecht“: Er durfte einen Kandidaten seiner Wahl für das Pfarramt Pausitz vorschlagen.

Im Jahre 1547 zählt Jahnishausen sechs landbesitzende Einwohner 86). Welches deren Gehöfte waren, ließe sich vermuten: zweifelsfrei das Schumannsche Gehöft, das bis zuletzt blieb. Gewiß war der spätere Gasthof auch ein ehemaliges Bauerngehöft, wofür auch die dortige Schmiede spricht. Die Anwesen von (heute) Weber und Dittrich könnten auch ehemals landbesitzenden Einwohnern gehört haben.

Vermutlich stirbt Dietrich von Schleinitz im Schmalkaldischen Krieg  87) den Rittertod. Er fällt in der Schlacht bei Gotha und ruht in der Bonifaciuskirche zu Langensalza.

 

85) Schumann, A.: a.a.O., S. 39

86) Landlose, Knechte, Tagelöhner... wurden damals nicht als Einwohner gezählt! Sie gehörten zum Gesinde. Im übrigen herrschte damals noch lange die Leibeigenschaft. Auch die Bauern standen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Ritter.

87) Schmalkaldischer Krieg: Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser Karl V. und dem Schmalkaldischen Bund (unter Führung Kursachsens und Hessens), wobei Moritz von Sachsen auf des Kaisers Seite stand.

nach Oben

 

 

4.

Ihm folgt im Besitz von Jahnishausen dessen Sohn, der, es kann nicht anders sein, auch Dietrich von Schleinitz heißt. Er wird sich auch der Hauptaufgabe gewidmet haben, Jahnishausen zu schützen und den Besitz zu mehren. Von ihm weiß man, daß er 1588 hochbetagt in Meißen verstorben sein soll.

Er wird in der Kirche zu Pausitz beigesetzt, wo sich auch ein in Stein gemeißeltes Bildnis befindet. Bei seinen Untertanen bleibt er in guter Erinnerung „wegen seiner grossen Wohlthätigkeit“.

Jahnishausen erbt 1589 ein Vetter, der, kaum zu glauben, Dietrich von Schleinitz (1545-1612) heißt. Er war zunächst Herr auf Hof und Bornitz und wirkte als Inspektor der Fürstenschule Sankt Afra in Meißen, womit er sich als hervorragend gebildet ausweist.

Nach seinem Tode übernimmt offenbar wiederum ein Dietrich von Schleinitz das Rittergut Jahnishausen. Bekannt ist, das 1637 ein Dietrich von Schleinitz in Jahnishausen verstorben und in Borna beigesetzt worden ist.

Dessen Sohn Wolf Dietrich von Schleinitz erbt 1638 das Rittergut Jahnishausen. Er hatte das im Dreißigjährigen Kriege „schrecklich ruinirte Gut Jahnishausen“ an Oberst Heinrich von Schleinitz auf Schieritz, Zehren und Niederjahna abgetreten.

Die Ritter von Schleinitz haben stets ihrem Landesfürsten gedient. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel lieferte einer der letzten Jahnishausener: Heinrich von Schleinitz dient Kurfürst Georg I. als Oberst eines Regiments und kann 1647 einen Mordanschlag durch den schwedischen Oberst Wanken vereiteln.

Während des Dreißigjährigen Krieges vermochten die von Schleinitz das Gut nicht mehr zu halten. Wiederholt gibt es Plünderungen und Verwüstungen durch die Schweden.

Im Jahre 1645 geht Jahnishausen von der Familie Schleinitz an Rittmeister August von Kötteritz („aus der Kroptewitzer Linee“) über.

Damit enden rund 190 Jahre Herrschaft der Dynastie Schleinitz über Jahnishausen.

nach Oben

 

 

 

Jahnishausen im Dreißigjährigen Krieg

Zunächst ist der große Krieg weit weg von Jahnishausen. Die Dinge gehen dort wie üblich ihren gewohnten Gang. Dietrich von Schleinitz ist gestorben, und Jahnishausen wird von seinem Sohne Dietrich von Schleinitz im wesentlichen in des Vaters Sinne weiterregiert.

Gewiß haben auch die Jahnishausener vom Prager Fenstersturz und der Schlacht am Weißen Berg gehört. Gewiß haben die Jahnishausener erfahren, daß es um den rechten Glauben geht. Gewiß vertraut Dietrich von Schleinitz auf das staatsmännische Talent seines Kurfürsten Johann Georg I. Er hat Charakter, denn er hatte schon 1619 die Größe, die böhmische Königskrone auszuschlagen.

Die Jahnishausener waren wie ihr Herr und mit ihrem Herrn zu den Ansichten des Herrn Dr. Luther übergegangen und hatten mit den katholischen Irrlehren gebrochen. Jetzt stand man in einer evangelisch-lutherischen Front und hatte mit den ganz Radikalen in Preußen, die auch in Dresden einzudringen versuchten, man denke an den kursächsischen Kanzler Crell, gebrochen. Es hatte den Calvinistensturm gegeben. - Und Gott war selbstverständlich auf der Seite Sachsens.

Gewiß war man auch in Jahnishausen damit einverstanden, daß der Kurfürst am 11. September 1631 dem Schwedenkönig, der mit einem ganzen Heer aus dem Norden kam und sich für die Protestanten schlug, die sächsischen Lande als Operationsbasis überließ und das sächsische Heer schwedischem Kommando unterstellte. Wenn Gott auf Seite der Sachsen steht, wer wollte ihnen etwas wollen!

Aber schon ein Jahr später wird es kritisch für die Sachsen: In der Schlacht bei Lützen ist am 16. November 1632, einem naßkalten Dienstag, König Gustav Adolf  gefallen. Und was noch schlimmer ist: Die Schweden hausen überall im Lande wie die Vandalen, aber gegen den Bündnispartner darf man nichts sagen. Doch es soll noch schlimmer kommen!

Johann Georg I., Kurfürst von Sachsen, bildet 1634 ein „Kriegssekretariat für die Angelegenheiten der Einquartierung, Verpflegung, Besoldung und Musterung“ und dazu noch eine „Generalkriegskasse“.

Man bedenke, daß hiermit erstmals eine Militärbehörde geschaffen wurde, eine „geheime Kriegskanzlei“, die alle Verwaltung Sachsens integrierte und auf den Krieg fokussierte. - Auch der historisch weniger Belesene weiß, daß stets alle Kriegslast vom Volke zu bezahlen war:

-   Einquartierung: In Städten und Dörfern waren Quartiere zu schaffen. Das hieß Verzicht selbst auf die geringsten Annehmlichkeiten. Die Mehrzahl der Soldaten wurde in den Häusern der „kleinen“ Leute untergebracht. Der Gutsbesitzer beherbergte selbstverständlich den Kommandeur. Daß die Einquartierten in ihrer Mehrzahl nicht glimpflich mit den ihnen nicht gehörenden Dingen umgingen, dürfte wohl dabei der Normalzustand gewesen sein!

-   Verpflegung: Das durchziehende Militär mußte beköstigt werden. Dabei war die normal übliche Abgabenlast von Naturalien an den Herrn wie auch der Zehnt  für die Kirche durchaus nicht zurückgenommen. Für den Krieg mußten Opfer gebracht werden! Da mußte das eigene, ohnehin bescheidene Kontingent geopfert werden. Und Soldaten waren stets hungrig und durchaus auch zum Plündern und Marodieren bereit. Mißernten oder Kriegsverluste verschärften die Notlage obendrein.

-   Besoldung: Die Bezahlung der Soldaten aus dem Staatssäckel war gewiß nicht üppig. Und wenn das Säckel leer war, bekamen die Soldaten das Recht, selbst für ihre Besoldung zu sorgen. Und wo kein Kläger war, da war dann auch kein Richter - eine längst bekannte Erfahrung.

-    Musterung: Kein Krieg ohne Soldaten! Gebraucht wurden immer mehr und mehr. Die gefallenen Soldaten hinterließen Witwen und Waisen. Die arbeitende Bevölkerung dezimierte sich. Der Moloch  Krieg fraß immer neue Menschenopfer.

 Fest stehen die Sachsen, unter ihnen selbstverständlich auch die Jahnishausener an der Seite ihres Kurfürsten Johann Georg I., denn dessen diplomatisches Geschick hatte wieder ein Bündnis mit dem Kaiser zustande gebracht. Dabei war obendrein die gesamte Lausitz zu Sachsen gekommen. - Daß damit der Protestantismus vom Kurfürsten verraten wurde, denn im Böhmischen wurden vom habsburgischen Kaiser die Lutheraner grausam verfolgt und auf den rechten Weg zurückgebracht, - das werden wohl die Jahnishausener nicht so genau erfahren haben.

Dennoch sind die Schweden, die einstigen Verbündeten der protestantischen Sachsen, im Land. Landsknechtshaufen durchstreifen die sächsischen Lande und verbreiten Schrecken und Tod. Heyda fällt den Schweden zum Opfer. Die Kirche und der gesamte Ort wurden niedergebrannt. Gleiches geschah in Kobeln. Zwischen 1626 und 1630 hatte in der Meißner Gegend die Pest  gewütet. Am 6. Juni 1637, einem sommerlichen Sonnabend, drangen die Schweden in Meißen ein und setzten die Stadt derart in Brand, daß sie kaum noch bewohnbar war. Zwei Jahre später fallen Freiberg und Pirna den Schweden in die Hände. Meißen nehmen 1645 erneut die Schweden ein, Stadt und Burg werden gnadenlos verwüstet.

Die Bürgerschaft von Nossen richtete am 29. Januar 1641 ein Bittgesuch an Johann Georg I., in dem es u.a. heißt:

„... Es auch Ew. Ch. Durchlaucht  (leider) mehr als zuviel bewußt sein, in was vor einen elenden, kläglich und erbärmlichen Zustand wir armen Leute nun etzliche viel Jahr hero des höchst schädlichen und landesverderblichen Kriegswesens halber geraten und wie uns zum öfteren alles Vieh, Getreide und anderer häuslicher Vorrat mit Gewalt abgenommen, auch sonst mit vielen Plünderungen, Einquartierungen, Durchzügen, unerträglichen Contributionen  und anderen unzähligen Auflagen und Kriegspressuren mehr, weil zumal unser Städtlein Nossen an der Landstraße und sehr an Anlauf und gleichsam im Bezirk und Mittel gelegen, sonderlich aber wegen Ew. Ch. Durchl. Amtes und Schlosses Nossen, sintemal alles beides, von Freund und Feind, darauf zukommen, wir vor andern seithero dermaßen beängstiget, also, daß wir auch, weil solches continué  gewähret, all das Unsrige nicht allein zusetzen und einbüßen müssen, sondern auch noch hierüber in große Schulden vertiefet worden. Ob wir nun wohl immer der Hoffnung gelebet, es sollte also an diesem genug sein und das höchstschädliche und landesverderbliche Kriegswesen einmal aufhören und ein Ende nehmen, so haben wir dennoch bei dem neulicher Zeit erfolgten unvorsehenen und plötzlichen Ein- und Überfall des General Pfuhls mit den Unsern unwiederbringlichen Schaden, äußersten Ruin und Verderb noch ein Mehrers und Härteres als jemals geschehen, ferner ausstehen und erfahren müssen, indem uns armen Leuten, als die ohne das (weil bei diesem Unwesen und Kriegsgefahr sonderlich aus Mangel des Zugviehes und Samens der Ackerbau zu rechter Zeit wie sichs gebühret, nicht beschicket und bestellet werden können, sondern teils ganz und gar öde und wüste liegend verbleiben müssen, wegen des dahero erfolgten Mißwachses, großen Wild- und Wetterschadens, und daß das erwachsene Getreide beides, im Felde und in der Scheune sehr zernichtet und von Mäusen geschroten und umgebracht gewesen) ein ziemlich genaues Auskommen gehabt, vollends die übrigen Brocken von der Soldatesca  aus den Scheunen getragen, verpröset und den Pferden untergestreuet; ingleichen unser bißlein Vieh bis auf ein weniges nebenst allen Vorrat abgenommen und dermaßen ausspoliret  worden, daß wir auch fast nicht einen Bissen Brots mehr übrig behalten, und solches fürnehmlich darum, weil eine schwedische Partei von den Ungarischen Völkern bei unserm Städtlein angetroffen. Dahero wir arme Leute (indem wir, ob hätten wir selbige verraten, so uns doch niemals im Sinn kommen oder man sich dessen im wenigsten vermutet, in Verdacht gezogen und uns die Schuld beigemessen werden wollen) in dies große Unglück kommen und vor anderen sehr ruiniret, verderbet und mit Brandschatzung  und unerträglichen Auflagen beängstiget und beschwert worden, gestalt dann nicht allein von dem Major Görtzken uns mit Feuer und Schwert aufs äußerste zu verfolgen und mit uns also zu gebaren, daß uns ärger schmerzen sollte, als wenn wir auf der Folter torquiret  würden, sondern es hat sich auch der General Pfuhl selbsten in seiner Anwesenheit in praesentia etzlicher unser Mitbürger hochbeteuerlich vermessen und sich ausdrücklich verlauten lassen, er wollte, so wahr die Sonne am Himmel stünde, daferne wir uns begehrtermaßen nicht abfinden würden, Ew. Churf. Durchl. Schloß, unsere Kirche, Pfarre und Schulgebäude, sowohl das ganze Städtlein, ganz in die Asche legen und zu Grund verderben, also daß weder Stumpf noch Stiel, ja keinStecken mehr davon stehen bleiben, und sollte es ihm niemand wehren. Derowegen weil wir uns dessen sehr befürchtet, wir zur Verhütung noch größeren Schadens und endlichen Verderbs ein Übriges tun und bei andern guten frommen Leuten inmittels etwas an Gelde aufnehmen müssen, damit wir nur denselben etzlichermaßen zufriedengestellet und soviel möglich die bevorstehende große Gefahr von uns abwenden mögen, welches wir armen Leute, unsers großen Unvermögens halber nebst andern Schuldenlasten, die sich fast in die 500 Thaler belaufen, so wir hierbevor bei währender Kriegsunruhe zu Unterhaltung der Salve-Guarde und anders gleichfalls schuldig geworden, annoch unabgestattet restieren .

Wann dann, Gn. Churf.  und Herr, wir armen Leute gleichwohl durch das continuirliche höchstschädliche und landesverderbliche Kriegswesen, und sonderlich zu diesemmal bis auf den äußersten Grad ruiniret, auch das erwachsene Getreide, davon die schuldigen Feld- und Erbzinsen pflegen abgetragen zu werden, im wenigsten genossen, hierüber uns auch unser bißlein Vieh abgenommen und an Geld und anderen dermaßen eneruiret und erschöpfet und daneben in große Schulden geraten, also, daß uns armen Leuten, wie gerne wir auch wollten, Ew. Churf. Durchl. Schuldige Erb- und Feldzinsen abzutragen ganz unmöglich, auch hierzu gar keinen Rat noch Mittel wissen.“

An Jahnishausen ziehen die Schweden selbstredend nicht tatenlos vorbei. Zwischen 1636 und 1645 plündern sie wiederholt Jahnishausen und machen den Ort faktisch unbewohnbar. Wolf von Schleinitz sieht sich 1638 außerstande, das Rittergut weiter zu behalten und überläßt es günstig an seinen Verwandten Heinrich von Schleinitz auf Schieritz. Allerdings vegetieren Rittergut und Dorf als Ruinen dahin, und das Geld für einen Neuaufbau ist nicht aufzubringen. Aus den Bauern, die bettelarm geworden sind, ist nichts herauszupressen, und was noch schlimmer ist, über zwanzig Jahre gnadenloser Krieg haben jede Hoffnung schwinden lassen.

Wahrscheinlich ist zu dieser Zeit Klein-Prausitz zur Wüstung (Heidebirken) geworden.

Und da zeigt sich Kurfürst Johann Georg I. wieder als Retter: Er verhandelt vom 27. August bis zum 6. September in Kötzschenbroda mit dem schwedischen General Königsmark und erreicht einen Neutralitätsvertrag. Darin sieht man auch in Jahnishausen einen Hoffnungsschimmer, auch wenn die Schweden noch weiter plündern: Es wird der Tag kommen, wo wieder Ruhe einkehrt! - Noch war es nicht so weit: Die Schweden hatten sich das militärische Durchzugsrecht durch die sächsischen Lande gesichert, wozu sie Leipzig und Torgau als Pfandbesitz zu nutzen wußten.

Inzwischen haben die von Schleinitz Jahnishausen endgültig verkauft. Neuer Herr ist Rittmeister August von Kötteritz („aus der Kroptewitzer Linee“). Was er übernimmt, ist eine abgebrannte Burg, die eher einem Steinhaufen gleicht und ein Dorf mit hoffnungslosen Untertanen. Die Felder sind verwüstet, weil sie niemand mehr bestellen konnte. Man hat kein Saatgut, viele Männer sind im Krieg geblieben. Abgabeverpflichtungen drücken schwer.

Um sich und den seinen wieder einen Halt zu geben, legte August von Kötteritz 1663 den Grundstein für eine Schloßkirche zu Jahnishausen.

 

88) Gustav II. Adolf: *Stockholm 19.12.1594, ge-fallen bei Lützen 16.11.1632, König (seit 1611). Ermöglichte unter maßgeblicher Mitwirkung seines Kanzlers, A.G. Graf Oxenstierna, mit einer Reihe innerer Reformen die schwedische Großmachtpolitik des 17. Jh.; siegreiche Kriege gegen Dänemark (1611-1613), Rußland (1614-1617) und Polen (1621-1629; Eroberung Livlands). Befürchtete die Ausbreitung der kaiserlichen Macht an der Ostsee und eine katholische Restauration, griff daher 1630 in den Dreißigjährigen Krieg ein. Schloß mit Frankreich den Vertrag von Bärwalde (23.1.1631) gegen Habsburg; Siege bei Breitenfeld (1631) und bei Rain am Lech (1632); fiel in der Schlacht bei Lützen gegen Wallenstein.

89) Zehnt: (Dezem), etwa seit dem 5. Jahrhundert von der Kirche geforderte Abgabe (urspr. des 10. Teils vom Getreide, Vieh u.a.) an die Bischöfe zum Unterhalt des Klerus; kam ab dem 9. Jahrhundert auch an die Grundherren; etwa seit dem 13. Jh. bis zur Bauernbefreiung auch als Geldleistung.

90) Moloch: in der Bibel ein heidnischer Gott, dem Kinder durch Feuertod geopfert wurden; übertragen: grausame Macht, die immer neue Opfer fordert.

91) Pest: Zwischen 1348 und 1352 wurde Europa von der schwersten Pestpandemie (Epidemie größeren Ausmaßes) der Geschichte (rd. 25 Mio. Tote), dem ›Schwarzen Tod‹, heimgesucht. 1720/21 trat die Pest zum letzten Mal epidemisch in Europa auf. - Die Pest ist eine schwere, akute bakterielle Infektionskrankheit (Erreger: Yersinia pestis), die meist von Nagetieren (vorwiegend Ratten) und den auf ihnen schmarotzenden Flöhen auf den Menschen übertragen wird. Befallen werden als erstes entweder Haut (Hautpest) oder Lymphknoten (Beulen-, Bubonen-, Drüsenpest) oder die Lunge (Lungenpest, die auch als Komplikation der Bubonen-Pest vorkommt) und schließlich auf dem Blutweg der gesamte Organismus (Pestsepsis). Die Allgemeinerscheinungen der Pest sind hohes Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Erbrechen, Unruhe, Benommenheit, Herz- und Kreislaufversagen. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis fünf Tage, bei Lungen-Pest ein bis zwei Tage.

92) Ew. Ch. Durchlaucht: Eure Churfürstliche Durchlaucht; Durchlaucht: Anredetitel fürstlicher Personen.

93) Kontribution: 1. (veraltet) für den Unterhalt der Besatzungstruppen erhobener Beitrag im besetzten Gebiet. 2. von einem besiegten Land geforderte Geldzahlung.

94) continué: > kontinuierlich: stetig, fortdauernd, unaufhörlich, durchlaufend

95) Soldateska: [italien.], abwertend für: disziplinloser, gewalttätiger Soldatenhaufen.

96)  (aus)spoliieren: (veraltet, aber noch landsch.) berauben, plündern, stehlen.

97) Brandschatzung: früher für durch Branddrohung erpressen.

98) torquieren: 1. peinigen, quälen, foltern. 2. drehen, krümmen.

99) restieren: 1. (veraltet) übrig sein. 2. (veraltet) a) (von Zahlungen) noch ausstehen; b) schulden; c) (mit einer Zahlung) im Rückstand sein.

100) Gn. Churf.: gnädiger Kurfürst...

101) zit. aus: Alfred Berger: Ein Streifzug durch die Nossener Geschichte. Gedenkschrift zum Heimat- und Schulfest Pfingsten 1936. S. 42ff.

nach Oben

 

 

Die Familie Kötteritz und der Kirchenbau in Jahnishausen

Zwischen 1645 und 1676 besitzt Jahnishausen die Familie Kötteritz. Es ist die trostlose Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege. Mit allem mußte neu begonnen werden. Kaum ein Stein war noch auf dem anderen. Die Bevölkerung war im Krieg durch Pest, Krieg und Hunger arg dezimiert. Not, wie sie nicht größer sein kann, im ganzen Lande!

Und es stellt sich die Frage, ob nicht die lavierende Haltung des sächsischen Landesvaters, zuerst Bündnis mit den Schweden für den Protestantismus - kurz darauf Bündnis mit dem katholischen Kaiser zur Wahrung der politischen Verhältnisse in Sachsen mit Zugewinn der Lausitz, für das Land Verheerendes gebracht hat. - Ausbaden mußte es, aber das wußte man ja schon immer, der kleine Mann.

Nach 45 Jahren Regentschaft stirbt 1656 Kurfürst Johann Georg I. Sein Sohn gleichen Namens folgt ihm als neuer Regent Johann Georg II. bis 1680. Und Kurfürst Johann Georg III. setzt das Vermächtnis von Großvater und Vater bis 1691 fort. „Er widmet sich ernsthaft der Landesverwaltung, schränkt die Hofhaltung ein, gibt aber viel für das Heer aus. Oft hält er sich als Feldherr außer Landes auf. 102)

 

Was wissen wir über August von Kötteritz selbst?

Er stammte aus Groptewitz, wo seine Familie offenbar schon seit Generationen lebte. Er war 1602 geboren. Mit seiner ersten Gemahlin, Sybille von Saalhausen, lebte er von 1635 bis 1669 in glücklicher Ehe, aus der 16 Kinder hervorgingen. Eines davon war Sohn August, der 1672 Jahnishausen übernam. Nachdem er sich erneut verheiratet hatte, mit Maria Elisabeth von Bürnau, starb er noch im gleichen Jahre. Sie starb im 27. Lebensjahr.

Offenbar hatte er den Kirchenbau in Jahnishausen zu seinem Lebensinhalt gemacht:

Rittmeister August von Kötteritz hatte 1663 mit dem Kirchenbau in Jahnishausen beginnen lassen. Am Montag, dem 3. September, erfolgte die feierliche Grundsteinlegung zur Schloßkapelle.

Laut Dedication 103) -Schrifft des Superintendenten vom 22. Dezember 1666 ist die Kirche „auff einem Platze da vordessen blosser Rasen und Hutung war“, erbauet worden.

Man müßte Betrachtungen anstellen, warum zusätzlich zur Pausitzer Kirche, die schon seit längerem existierte, nun in Jahnishausen eine weitere Kirche errichtet werden mußte. Die Nachwelt rühmt seine Haltung wie folgt: Leitendes Motiv des zweiundsechzigjährigen Bauherrn, der als hervorragend „fromm und gottesfürchtig“ geschildert wird (C.G. Poetzsch), dürfte jedoch das Bedürfnis gewesen sein. „dem Allerhöchsten zu Ehren“ ein wohlgefälliges Werk zu schaffen.

Nahezu offiziell wird im Knauf der Kirchturmspitze ein Schreiben des „Superintendenten zu Hayn“ (Großenhain), D. Gottfried Meißner mit Blick auf den „Fundator“ der Schloßkapelle zu Jahnishausen formuliert:

„Demnach der Hoch Edle

Gestrenge und Veste

Herr Augustus von Kötteritz

auf Jahnißhausen

Rittmeister

aus Christlichen Gemüthe und andern beweglichen Ursachen bey sich beschlossen

dem Allhöchsten zu Ehren

auch ihme und seines Adelichen Hauses folgenden Besitzern zu beqvemer Abwartung des heiligen Gottesdiensts

vor seinem Adelichen Hause

eine Kirche zu bauen...“

 

Da haben wir wohl den Grund, etwas verklausuliert und hinter dem edlen Motiv zurückgesetzt: zu beqvemer Abwartung des heiligen Gottesdiensts. August von Kötteritz war offenbar der Weg von Jahnishausen bis Pausitz zu weit. Vielleicht war er auch nicht immer gut passierbar, denn der „Damm“, über den die Fahrstraße nach Nickritz führt, war seinerzeit noch nicht errichtet, und die Wege über Ölsitz dürften hochwassergefährdet gewesen sein. Und wenn man so „fromm und gottesfürchtig“ (C.G. Poetzsch) geschildert wird, dann dürfte ein vom Hochwasser überfluteter Anmarschweg zur Kirche wahrlich ein sehr profaner Hinderungsgrund sein.

Der damalige Herrensitz war noch nicht das heutige Schloß. Seine Größe und sein Standort sind weitestgehend unbekannt 104).  Es dürfte die Burg der Ritter von Schleinitz gewesen sein, die im Dreißigjährigen Krieg durch die Schweden ausgeplündert und möglicherweise auch niedergebrannt worden ist. - August von Kötteritz dürfte neben dem Kirchenbau auch den Wiederaufbau der Burg betrieben haben.

Der finanzielle Aufwand des Herrn von Kötteritz wurde dadurch gemindert, daß die Jahnishäuser Untertanen billige, wenn nicht unentgeltliche Mitarbeit geleistet haben. Dazu Superintendent Meißner in seiner Weihe-Predigt:

 

„Nicht minder hat der HERR regiert

die Herzen der Eingepfarrten /

daß sie willig gewesen zu Fuhre und Hand-Diensten /

allermassen zuvor hochgedachter Herr Kötteritz

Ihnen dafür öffentlich dancken läst.“

 

Und nun hatte der Rittmeister „dem Allerhöchsten zu Ehren“ ein wohlgefälliges Werk geschaffen und konnte nebst Familie und Untertanen mit sauberem Schuhwerk vor seinem Adelichen Hause den Gottesdienst begehen. - Im Herbst 1666 wird die Kirche zu Jahnishausen feierlich eingeweiht, wozu man folgenden Spruch gewählt hat:

"Laß allzeit wachsen innen und außen

das christliche Haus Jahnishausen

zu Ehren Jesu Namen".

[cf. POETZSCH]

Schon am 1. August hatte man den Turmknopf fixiert:

„... der vergüldete Knopff /

Fahne un[d] Sone affgestecket /

ehist der gantze Bau /

mit Göttlicher Verleihung zur völligen perfection, inauguration und nützlichen Brauch gelangen wird...“

 

In einem Rescript 105)  vom 13. Decembr[is] 1665 war bereits die Ordnung und Organisation des Gottesdienstes an den beiden Kirchen Pausitz und Jahnishausen festgelegt. August von Kötteritz schenkte u.a. der Kirche Jahnishausen 1673 einen neuen Priesterrock, damit diesen der Pfarrer zu Pausitz, der jeden dritten Sonntag im Monat zu predigen hatte, ihn in Bereitschaft finden möge. Und so verfuhr man bis 1970: Pfarrer Pökert, wohnhaft in Pausitz, kam zuletzt per Motorrad oder Moped, also zivil, an jedem dritten Sonntag im Monat nach Jahnishausen und legte früher bei Lehmanns, zeitweilig wohl auch bei Krügers und zuletzt bei Webers seinen Priesterrock an, um dann gemessenen Schrittes zur Kirche zu gehen und Gottesdienst zu halten.

Das Aussehen der ersten Jahnishausener Kirche ist unbekannt. Zeichnungen oder Beschreibungen sind nicht mehr vorhanden. - Vielleicht könnte man sie sich wie die noch heute stehende Kirche von Seerhausen vorstellen.

Überliefert ist über die Trauerfeier für Rittmeister von Kötteritz: „Er wurde auf sein schriftliches Begehren, getragen von 13 Priestern in der von ihm erbauten Schloßkapelle (Jahnishausen) beigesetzt und ein Trauergottesdienst gehalten. Am vierten Advent ward er von da aufgehoben und begleitet von allen seinen Untertanen und vielen Adeligen nach Pausitz in sein bereitetes Ruhegewölbe gebracht.“

Nach dem Tode von August von Kötteritz, 1672, übernimmt dessen gleichnamiger Sohn, Schulinspektor in Meißen, das Rittergut Jahnishausen. Doch schon nach vier Jahren verkauft er das Rittergut, das Lebenswerk seines Vaters, an Freifrau von Reichenbach.

 

102) Naumann, Günter: Sächsische Geschichte in Daten. 21994 München. S. 137.

103) Dedikation: Widmung, Zueignung, Schenkung.

104) Der Standort des früheren Schlosses, ebenso Aussehen und Größe sind nicht überliefert. Es gibt darüber unterschiedliche Vermutungen: 1. Gurlitt: nahe der Kirche, 2. Schuster: auf der Insel im Park. 3. unter den Kastanien, dort ist die Walmauer ein mögliches Relikt. Außerdem hätte man keinen langen Transportweg gehabt, um die Trümmer des alten Schlosses zum Aufbau des neuen zu nutzen.

105) Reskript: 1. (veraltet) amtlicher Bescheid, Verfügung, Erlaß. 2. feierliche Rechtsentscheidung des Papstes oder eines Bischofs in Einzelfällen. 

nach Oben

 

 

 

Freifrau von Reichenbach und ihr Wirken in Jahnishausen

Von 1676 bis 1718 ist Maria Sophie verw. Freifrau von Reichenbach, geborene von Friesen Gutsherrin auf Jahnishausen.

Die gravierendsten Schäden des Dreißigjährigen Krieges, dessen Ende inzwischen dreißig Jahre zurück liegt, sind durch viel Fleiß und Entbehrung überwunden. Das Land beginnt langsam wieder aufzublühen. In Dresden hat man den Schloßturm durch Caspar von Klengel errichten lassen. Vor den Toren Dresdens gestaltet man den Großen Garten und baut am dortigen Palais.

1694 wird Friedrich August I. Kurfürst von Sachsen und beschafft sich als „August der Starke“ die Königskrone Polens.

1710 wird die Meißner Porzellanmanufaktur gegründet.

Dennoch wird das Leben für die Jahnishausener nicht leichter geworden sein.

Um 1680 wird im Erzgebirge der Kartoffelanbau eingeführt. Wann man die erster Kartoffel in Jahnishausen angebaut hat, ist nicht überliefert. Aber es dürfte zur Zeit der Herrschaft von Maria Sophie verw. Freifrau von Reichenbach gewesen sein.

Freifrau von Reichenbach ist in die Geschichte Jahnishausens vor allem wegen ihrer Fürsorge für die Untertanen eingegangen, sie sei sehr beliebt gewesen. Folgende Verdienste sind überliefert:

Im Jahre 1679 verschafft sie der Kirche ein Dreiergeläut, das von Andreas Herold in Dresden gegossen wurde.

Sie ist es, die die alte Schleinitzer Burg zu einem neuzeitlichen und schlichten Schloß als Herrensitz umbauen läßt. Man kann wohl annehmen, daß man sich dabei des Baumaterials der Burg bediente, die unmittelbar „walwärts“ neben dem Schloßneubau war. Wahrscheinlich ist der „walfernere“ Teil des Schlosses zuerst errichtet worden. Hier bedarf es noch der Nachforschung.

Im vorgerückten Alter stellt Freifrau von Reichenbach einen Antrag auf die Stiftung eines Diakonats 106), den ihr das Oberkonsistorium in Dresden trotz Widerstands des Pausitzer Pfarrers auch genehmigt. Der Diakon ersparte der alten, leidenden Dame den Kirchweg nach Pausitz.

Kurz vor ihrem Tode gründet sie im Jahre 1716 das „Schulgestift“ in Mehltheuer, möglicherweise angeregt von den Ideen August Hermann Franckes 107) in Halle. - Dafür traf sie noch folgende Verfügungen:

Von den Zinsen der 7000 Gulden 108)  Stiftungskapital (5%) waren zu bestreiten:

1. 100 Gulden Jahresbesoldung für den Lehrer, der zwölf Kinder ärmerer Untertanen des Gerichtsbezirks Jahnishausen zu unterrichten hatte.

2. Die Kinder, die von der Gutsherrschaft ausgesucht wurden, erhielten Kleidung, Bücher und etwas Geld fürs tägliche Brot.

3. Das Schulhaus in Mehlteuer mußte instand gehalten werden.

4. fünfzehn Taler aus dem Zinsertrag waren „an arme verlassene Kranke“ zu zahlen; dafür zeichnete der Pfarrer zu Pausitz verantwortlich.

Als 1718 Maria Sophie verw. Freifrau von Reichenbach, geborene von Friesen, verstirbt, erbt August Heinrich Gottlob Graf von Callenberg Rittergut und Schloß Jahnishausen.

 

 106) Diakonat: Amt eines Diakons; Wohnung eines Diakons. - Diakon: Krankenpfleger, Pfarrhelfer oder Prediger ohne Hochschulausbildung; (veraltet) zweiter oder dritter Pfarrer einer evangelischen Gemeinde; Hilfsgeistlicher.

107) Francke, August Hermann, Lübeck 22.(12.?) 3.1663, †Halle/Saale 8.6.1727, deutscher evangelischer Theologe und Pädagoge. Einer der Hauptvertreter des Pietismus*. Gründete in Halle/Saale die Franckeschen Stiftungen. Seine Pädagogik war gekennzeichnet durch dem Spiel feindliche, strenge Beaufsichtigung der Zöglinge.

*) Pietismus: Bewegung des deutschen Protestantismus im 17./18. Jh., die eine subjektive Frömmigkeit entwickelte und eine Erneuerung der Kirche zum Ziel hatte; im Mittelpunkt steht nicht mehr die Rechtfertigung, sondern die Wiedergeburt (Bekehrung) jedes einzelnen Menschen. Das Verhältnis des Wiedergeborenen zu Gott wird als unmittelbare Gotteskindschaft bestimmt. Mit anderen Wiedergeborenen findet er in Konventikeln (›collegia pietatis‹), der typischen Gemeinschaftsform des Pietismus, zusammen. - Richtungweisend für den Pietismus ist die Schrift P.J. Speners, ›Pia Desideria‹ (1675).

  108) A. Schumann nennt 6000 Thlr.

nach Oben

 

 

Familie von Callenberg und der Concurs

Im Jahre 1718 erbt Generalpostmeister August Heinrich Gottlob Graf von Callenberg, geboren am 10. August 1666, Rittergut und Schloß Jahnishausen von seiner Tante, der Freifrau von Reichenbach.

Nach zwölf Jahren jedoch muß er Jahnishausen seiner von ihm getrennt lebenden Gemahlin Charlotte Katharina von Callenberg abtreten. - Nicht lange danach, am 15. Dezember 1730, einem „schwarzen“ Freitag, brennen Rittergut, Schloß und Dorf ab. „Dabei litt auch die Kirche sehr; es begann für sie nach der vergangenen Glanzzeit eine Periode des äußeren Verfalls. Im Jahre 1754 wurde sie auf Anweisung der obersten sächsischen Kirchenbehörde infolge „gefährlicher Baufälligkeit gänzlich geschlossen.“ (THOMAS 1928) - Über die vermeintlichen Ursachen ist nichts überliefert. Eine Vermutung, Graf von Callenberg, könnte, wütend geworden wegen des Verlusts seines Rittergutes, gegokelt 109)  haben, muß wohl Spekulation bleiben. Allerdings könnte das eine Ereignis durchaus Ursache des anderen sein.

Bis ins Jahr 1738 liegt Jahnishausens Kirche nebst Schloß in Trümmern. Dafür wird aber zwischen 1752 und 1754 an der Pausitzer Kirche gebaut. Sie erhält weitestgehend das heutige Aussehen.

In Dresden wird nach sechzehn Jahren Bauzeit die Katholische Hofkirche vollendet.

Mit seinen Truppen war der Preußenkönig Friedrich II. plötzlich und überraschend in Sachsen eingefallen, und damit war der Siebenjährige Krieg  ausgebrochen 110). Jahnishausen bleibt dabei nicht verschont. Truppen, die aus dem Preußischen kommen, ziehen über die Straßen in Richtung Dresden. Die Sachsen müssen für die durchmarschierenden preußischen Truppen sorgen: Fouragierungen 111)  und Einquartierungen sind an der Tagesordnung. Am 15. Oktober 1756, einem Freitag, war der sächsische Widerstand endgültig gebrochen. Das sächsische Heer von 14000 Mann ergab sich am Lilienstein kampflos. In Pirna wurde zwei Tage drauf die Kapitulation unterschrieben. Kursachsen fällt unter preußische Verwaltung. - Zum Glück konnten sich Kurfürst/König August III. 112) und Graf Brühl 113)  nach Warschau retten. Kurfürstin Maria Josepha, Tochter Kaiser Josephs I. 114)  und Kurprinz Friedrich Christian bleiben jedoch in Dresden, das am 19./20. September 1760 von den Preußen beschossen und stark zerstört wird.

Nach dem Frieden von Hubertusburg (am Dienstag, dem 15. Februar 1763) ist Sachsen geschlagen, verwüstet und politisch bedeutungslos.

Jahnishausen liegt nahe den Straßen, die von Norden her nach Dresden bzw. von Leipzig nach Dresden führen. Da blieb preußische Besetzung nicht aus. Und Verarmung wie Verfall waren die Folge.

Am 9. November 1766, nach sechsunddreißigjähriger Herrschaft, stirbt Charlotte Katharina Gräfin von Callenberg und wird in Pausitz beigesetzt. Ihr einziger Sohn, August Reinecke Kurt Graf von Callenberg, nachmals 115)  Generallieutenant und Sächsischer Gesandter zu Kopenhagen, erbt Jahnishausen.

Nach einer Zeit der Stagnation und des Niedergangs im Siebenjährigen Krieg, brechen nun keineswegs bessere Zeiten für das Rittergut Jahnishausen an. Graf Callenberg besaß keinerlei ökonomisches Talent. Bereits hoch verschuldet, trat er sein mütterliches Erbe an. Aus der prekären Lage konnte ihm nicht einmal sein Pate, S.M. der König von Polen und Kurfürst von Sachsen 116)  heraushelfen, obgleich er diese Schuld mehrmals getilgt hat. So wurde ein Konkurs 117) herbeigeführt.

Das Rittergut war arg ruiniert, und Schloß wie Kirche waren verfallen. 1779 muß die Kirche abgetragen werden.

Das Zeitalter der Callenbergs war kein Segen für Jahnishausen.

Es kam 1786 zu einer Subhastation 118), und Jahnishausen kam in den Besitz des Hauptmanns Christoph Dietrich von Plötz.

 

 109) gokeln: mitteldeutsch für mit Feuer spielen

110)  Siebenjähriger Krieg: Bezeichnung für den 3. Schlesischen Krieg und den gleichzeitigen französisch-britischen Krieg in den Kolonien (1756-1763).- Friedrich II. von Preußen, verbündet mit Großbritannien, fiel nach dem Beitritt der Zarin Elisabeth zur französisch-österreichischen Allianz in Kursachsen ein, besiegte die Österreicher bei Prag, mußte Böhmen aber nach der Niederlage bei Kolín wieder räumen. Im Herbst 1757 waren die Lausitz und Niederschlesien verloren, die Russen waren nach dem Sieg bei Groß Jägersdorf in Ostpreußen, die Schweden in Pommern eingefallen. Neue preußische Erfolge waren die Siege bei Roßbach über Franzosen und Reichstruppen, bei Leuthen über die Österreicher, und bei Zorndorf über die Russen. Am 14.10.1758 eroberten die Österreicher das preußische Lager bei Hochkirch. Am 12.8.1759 unterlag Friedrich den Russen bei Kunersdorf. Der Tod der Zarin Elisabeth (5.1.1762) brachte die entscheidende Wende (preußisch-russischer Separatfriede und Bündnis 5.5./19.6.1762). Der Friede von Hubertusburg (15.2.1763) brachte eine Bestätigung des territorialen Status quo und die preußische Zusage zur Wahl des späteren Kaisers Joseph II. zum Römischen König. - In Nord-Amerika mußten die Franzosen nach der Schlacht von Quebec (13.9.1759) und nach der Kapitulation Montreals (8.9.1760) u.a. Kanada aufgeben. Nach dem Kriegseintritt Spaniens (1761) besetzten die Briten auch Kuba (Juni 1762) und die Philippinen (September 1762). Erfolgreich blieben die Briten auch in Afrika und Indien (R. Clive). Im Pariser Frieden (10.2.1763) verlor Frankreich fast alle Besitzungen in Nord-Amerika und Indien an Großbritannien.

111) Fouragierung: Versorgung der Truppe a) mit Lebensmitteln, Mundvorrat (für die Truppe); b) mit Futter für die Militärpferde.

112) Friedrich August II. zum König von Polen (als August III.), Sohn Augusts des Starken, dessen Nachfolger auf dem Thron. - †5.10.1763.

113) Brühl, Heinrich Graf von, *Gangloffsömmern (bei Sömmerda) 13.8.1700, †Dresden 28.10.1763, kursächsischer Minister. Setzte 1733 die Wahl Friedrich Augusts II. zum König von Polen (als August III.) durch, dessen Politik er völlig bestimmte.

114) Joseph I.: *Wien 26.7.1678, †ebd. 17.4.1711, Römischer König (seit 1690), Kaiser (seit 1705). Setzte den Spanischen Erbfolgekrieg siegreich fort und restaurierte die kaiserliche Macht.

115) nachmals: später

116) Vermutlich Friedrich August II, als König von Polen August III. (1696-1763). Nach seinem Tode kommt sein ältester Sohn Kurfürst Friedrich Christian an die Regierung (5. Oktober 1763 bis 17. Dezember 1763), der als aufgeklärter Absolutist sofort eine Neuordnung der zerrütteten Staatsfinanzen (u.a. einen Tilgungsplan für die Landesschulden und Sparsamkeit auch in der Hofhaltung) einleitet, die von seinem Nachfolger fortgeführt wird.

117) Konkurs: gerichtliches Vollstreckungsverfahren zur gleichmäßigen und gleichzeitigen Befriedigung aller Gläubiger eines Unternehmens, das die Zahlungen eingestellt hat.

118) Versteigerung

nach Oben

 

 

Der zweite Kirchenbau und die Verdienste des Herrn von Plötz

Der Wechsel der Herrschaft auf Rittergut und Schloß Jahnishausen läßt im wahrsten Sinne des Wortes neues Leben aus den Ruinen sprießen. Damit zeigt sich speziell auch in Jahnishausen, was für ganz Sachsen kennzeichnend ist: Aufschwung. - Die von dem 74-Tage-Kurfürsten Friedrich Christian 119)  geplanten Reformen wurden von seinen Nachfolgern Prinz Xaver 120)  und ab 1668 von Kurfürst Friedrich August III. 121), der sich den Beinahmen „der Gerechte“ verdient, zielstrebig weitergeführt.

Jahnishausen war 1786 in den Besitz des Hauptmanns Christoph Dietrich von Plötz auf Grubnitz und Ragewitz gekommen. Wenige Jahre später, 1789, legt er der Kirchenbehörde den Bauplan für einen Wiederaufbau der „so lange in traurigen Ruinen“ liegenden Kirche als neue, größere Kirche vor, die sich am Stil der Pausitzer orientiert... Die Anschläge 122)  verfertigte der Maurermeister Johann Christian Rumberger in Radeburg und Johann Christian Kießling in Ölsitz und Johann Damheller in der Goßitz (?).

Zunächst wurde das Schloß wieder bewohnbar gemacht. Ein „Betsaal“ auf dem Dachboden indes erwies sich, weil zu klein, für den Gemeindegottesdienst als ungeeignet. Das Oberkonsistorium ordnete an, es dürfe „in Jahnishausen erst in einer evtl. neu zu bauenden Kirche wieder Gottesdienst gehalten werden“ (THOMAS). Damit war das Dorf gänzlich an die Kirche von Pausitz zurückverwiesen. Zugleich jedoch ergab sich daraus die Geburtsstunde für den Plan zu einem Nachfolgebau.

Die unter August von Kötteritz im Jahre 1666 errichtete Kirche war seit dem Brand von 1730 zur Ruine geworden. Noch zu Callenbergs Zeiten, 1779, war die Kirche abgetragen worden. Erhalten bleibt das Westtor der Kirche: „Ionische Halbsäulen tragen ein Gebälk, über dem ein Sandsteinrelief eingemauert ist, dieses zeigt Maria mit dem Kinde, rechts Ochs und Esel, darüber Joseph... Die Türflügel zeigen Verzierungen mit ausgestochenen Flachornamenten, die stilisierte Doppeladler zum Motiv haben, ein schmiedeeisernes Schlüsselschild in der Form eines Landsknechtes und einen hübschen geschmiedeten Handgriff. Ebenso wird das ovale Fundament der ehemaligen Schloßkapelle übernommen.“

Die Bauzeit der zweiten Jahnishausener Schloßkirche lag zwischen 1790 und 1793.

Doch zunächst mußte Hauptmann von Plötz um seine Existenz fürchten. In Sachsen gab es 1790 heftige Bauernunruhen, wie man sie bis dato noch nicht erlebt hatte. Alles, was sich zunächst in der Gegend um Lommatzsch zutrug, war unschwer als Auswirkung der Französischen Revolution 123)  zu erkennen. Was da aus Frankreich in die sächsischen Lande „sickerte“, wurde nicht nur mit Interesse aufgenommen. Die Erfahrung zweier schrecklicher Kriege ließ die sächsischen Bauern besonders empfindsam sein. Sie fordern Befreiung von Frondiensten, die von den Grundherren immer mehr ausgeweitet worden waren. - Und Herr von Plötz hatte sich ja auch mit Schloßausbau und Kirchenneubau sehr viel vorgenommen, das er allein natürlich nicht schaffen konnte und wohl auch gar nicht wollte. Dazu brauchte er seine Untertanen.

Aber die Welt kann noch einmal gerettet werden: Kurfürst Friedrich August III., man weiß nicht genau, ob er seinerzeit schon der Gerechte ist, verspricht die Abstellung begründeter Mißstände. Es sei zu etwa 200 Verhaftungen gekommen, 34 ganz Schlimme habe man auf den Königstein verbracht. Alle seien wohl bis 1791 wieder freigelassen worden. Auch die Freiberger Bergleute, die täglich den sächsischen Reichtum mehrten, übten den Aufstand gegen Hungersnot und Wucher mit Lebensmitteln 124).  - Damit aber bis auf weiteres Ruhe und Ordnung wieder einkehren und sich solches nicht wiederholen kann, kam es „auf allerhöchster Ebene“ im August 1791 zum Treffen von Pillnitz: Kaiser Leopold II. 125) und König Friedrich Wilhelm II. 126) von Preußen, im Siebenjährigen Krieg noch erbitterte Feinde, sind sich handelseinig, den Worten und Taten der Französischen Revolution zu trotzen.

Und so kann auch Hauptmann von Plötz mit nur leichter Beeinträchtigung seine Bauvorhaben realisieren lassen. Die Nachwelt wird’s ihm danken!

Am sächsischen Bauernaufstand beteiligen sich in den letzten Augusttagen auch Jahnishausener. Der Gutsherr mußte in einer von den Bewohnern des Patrimonialgerichtsbezirks 127)  vorgelegten schriftlichen Erklärung auf alle von ihm geforderten Dienste, Zinsen und sonstigen Forderungen verzichten. - Militäreinsatz machte das Erreichte bald wieder rückgängig.

Der Kirchenbau ging weiter: Am 31. Oktober 1790 erfolgte mit viel Pomp die Weihe 128) des neuerstandenen Hauses im Beisein der Superintendenten von Großenhain und Oschatz sowie zahlreicher Geistlicher.

Zwei Jahre später, 1792, erst wurde der viereckige Turm, der von einer hohen schiefergedeckten Haube mit Laterne und steiler Turmspitze gekrönt ist, vollendet. Die Turmtür mit Sandsteingewänden stellt einen Rest aus der früheren Schloßkapelle dar, ebenso vermutlich die einfache Kanzel im klassizistischen 129) Kanzelaltar. Abschließend wurde „die Spille mit Knopf und Fahne“ aufgesetzt. Nach altem Brauch diente der Hohlraum des Knopfes zur Aufnahme der aktuellen Weiheschrift. Ihr fügte man die „älteren, im vorigen Knopfe aufgefundenen, geschriebenen und auf diese Kirche sich beziehenden Urkunden wiederum der Nachwelt zum Besten verwahrlich“ bei. (THOMAS) - Die Weiheschrift von 1790 sei stark unter dem Eindruck der Revolution in Frankreich verfaßt. (MIERSCH)

Hauptmann von Plötz war raffiniert und geschäftstüchtig und wollte sich sein Lebenswerk, die Errichtung der Jahnishausener Kirche nicht mehr vereiteln lassen: „In Wiederherstellung der Capelle zeigte sich v. Plötz keineswegs des ersten Stifters 130), eines Musters v. Frömmigkeit, würdig; denn er nahm das Geld dazu theils aus Legaten 131), welche die Freifr. v. Reichenbach für die Armen im Gerichtsbezirk gethan, th. aus den pausitzer u. prausitzer Kirchencassen.“ 132)

Im Jahre 1793 ist der Kirchturm mit einem Glockenstuhl errichtet. Von dem 1679 in Dresden von Andreas Herold gegossenen Dreiergeläut blieb nur noch die kleinste Glocke erhalten. Die anderen werden ihren Ehrendienst für das sächsische Vaterland als Kanonenrohr geleistet haben.

Damit hatte sich nun Christoph Dietrich von Plötz ein Denkmal geschaffen, das über zweihundert Jahre den Zeitenläuften und allen Wettern getrotzt hat. Die Jahnishausener Kirche imponierte durch Schönheit und Schlichtheit.

Wir können auch annehmen, daß Herr von Plötz Bauherr des aufgeschütteten Damms, über den die Straße von Nickritz her führt, war, möglicherweise auch der Aufschüttung der Straße nach Ölsitz und der Entwässerung der Wiesen.

 

119) Friedrich Christian: Regierungszeit 5. Oktober 1763 bis 17. Dezember 1763; verstirbt an den Blattern.

Blattern: volkstüml. Bez. für Pocken. Pocken: (Variola), durch Pockenviren hervorgerufene, anzeige- und isolier-pflichtige, schwere, hochansteckende Infektionskrankheit. Die Pockenerkrankung machte sich 10-14 Tage nach der Ansteckung bemerkbar. Bei Ungeimpften traten dann Fieber, Kreuzschmerzen und Erbrechen auf. In der Haut entwickelten sich aus blaßroten, juckenden Flecken oder Knötchen eingedellte Bläschen mit dunkelrotem Saum. Später platzten die Pockenbläschen und bedeckten sich mit braungelben Krusten, die abfielen und die Pockennarben hinterließen. Für Nichtgeimpfte war eine Pockeninfektion fast immer eine tödliche Erkrankung. Impfpflicht wurde im Deutschen Reich 1874 eingeführt.

120) Prinz Xaver: Bruder des verstorbenen Kurfürsten Friedrich Christian, ab 1763 „Geschäftsführer“, zog sich am 13. September 1768 verstimmt auf sein Gut Zabeltitz ins Privatleben zurück.

121) Friedrich August III.: Kurfürst (1763-1806, bis 1768 noch nicht mündig), ab 1806 bis 1827 erster König Sachsens (Friedrich August I.).

122) Anschläge: Pläne, Bauunterlagen > „[ver]anschlagen, z.B. heute noch „Kostenvoranschlag“.

123) Am Dienstag, dem 5. Mai 1789, traten die erstmals ab 1614 einberufenen Generalstände zusammen. Am 17. Juni erklärten sich die Abgeordneten des ›dritten Standes‹ zur Verfassunggebenden Nationalversammlung. Zum Symbol der Französischen Revolution wurde die Erstürmung der Bastille durch die Pariser Massen am 14. Juli; die Nationalversammlung verkündete die Menschenrechte, schuf das zentralistische Verwaltungssystem der Départements, beseitigte alle ständischen Vorrechte und zog das Kirchengut ein.

124) cf. Naumann, G.: a.a.O., S. 170f.

125) Leopold II.: *Wien 5.3.1747, †ebd. 1.5.1792, als Leopold I. Groß-Herzog von Toskana (seit 1765), Kaiser (seit 1790). Umfassende Reformen in Wirtschaft und Verwaltung; z.T. Aufhebung der Reformen seines Bruders Joseph II.; Ausgleich mit Preußen (1790); in der Französischen Revolution Bündnis mit Preußen zum Schutz der französischen Monarchie (1792).

126) Friedrich Wílhelm II.: *Berlin 25.9.1744, † Potsdam 16.11.1797, König (ab 1786). Stand unter dem Einfluß von Günstlingen und Mätressen. Trotz bedeutender Gebietserweiterungen (Ansbach-Bayreuth 1791, Gebiete aus der 2. und 3. Teilung Polens 1793 und 1795) sank das Ansehen Preußens durch den schwankenden Kurs seiner Politik.

127) Patrimonialgericht: Patrimonialgerichtsbarkeit (Gutsgerichtsbarkeit), Gerichtsbarkeit, die der Grundherr über seine Grundhörigen ausübte. Bei der Entstehung der neuzeitlichen Territorialstaaten verblieb der P. lediglich die Zuständigkeit für Polizeisachen; im 19. Jh. aufgehoben.

128) Kirchweih: Kirmes, in Jahnishausen eine Woche vor dem Todensonntag.

129) klassizistisch: Nachahmung eines klassischen [antiken] Vorbildes: Baustil, der in Anlehnung an die Antike die Strenge der Gliederung und die Gesetzmäßigkeit der Verhältnisse betont; europäischer Kunststil etwa von 1770 bis 1830.

130) August von Kötteritz

131) Legat: Vermächtnis; Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände durch letztwillige Verfügung.

132) Schumann, A.: a.a.O., S. 40

nach Oben

 

 

Jahnishausen um 1800

Die Verdienste des Christoph Dietrich von Plötz für Jahnishausen sind von Dauer: Er ließ das Schloß in der heutigen Gestalt errichten. Er war Baumeister der Dorfkirche, die ihrer Funktion nach eine Schloßkapelle war. Gewiß hat er sich von damals in Sachsen bereits existierenden Parkanlagen inspirieren und den Jahnishausener Park in seinen Grundlagen errichten lassen.

Nach Herrn von Plötz wird es wieder ruhiger in Jahnishausen. Alles geht seinen Gang. Nichts skandalös Neues geschieht:

Im Jahre 1796 kaufte Minister Georg Wilhelm Graf von Hopfgarten das Rittergut. Nach seinem Tode, 1813, hinterließ er das Gut seinen Erben zu gemeinsamem Besitze:

   -  Gräfin Vitzthum von Eckstädt,

   -  Gräfin von Bünau-Dahlen,

   -  Louise von Gersdorf,

   -  Marianne von Gersdorf,

   -  Constantie von Schleinitz,

   -  Charlotte von Waßdorf.

Die adeligen Damen werden in der Idylle von Schloß und Park ihren Lebensabend verbracht haben. Und Jahnishausen stagnierte in seiner Entwicklung, während in Sachsen der Kapitalismus mit technischen Errungenschaften erblüht. Sachsen wird zum Königreich von Napoleons Gnaden. Kurfürst Friedrich August III. läßt sich am 20. Dezember 1806 zum König Friedrich August I. proklamieren. Krönungsinsignien 133)  werden nicht angeschafft. Allerdings gilt fortan auch der Code Napoléon 134) im Sachsenlande, worin von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten die Rede war.

Die Jahnishausener werden auch Zeugen von Napoleons Niederlage im Oktober 1813. Und mancher wird seine bissigen Bemerkungen über das couragierte, staatsmännische Verhalten des Augusts von Sachsen gemacht haben: Dem König wird seine Landeshauptstadt zu heiß, weshalb er ab 28. Februar in Plauen weilt. Einen Monat später verläßt er Plauen, um nach Regensburg zu gehen, wahrscheinlich weil dort der immerwährende Reichstag für das ganze Reich wirkt. Einen knappen Monat später weilt dann der König von Sachsen ziemlich weit außerhalb seines Landes, in Prag, wo er sich sehr intensiv über die Brückensprengungen in Dresden und Meißen sowie über den Einzug der Russen in die Landeshauptstadt informieren läßt. Und als den Franzosen am 2. Mai 1813 bei Großgörschen (Lützen) wieder ein Sieg gelingt und Napoleon wieder in Dresden ist, heißt der auch seinen sächsischen Kollegen, schleunigst zurückzukehren, was der auch mit wahrhaft königlichem Mute am 12. Mai befolgt.

Und nun schließt des Gerechten Politik ganz nach dem alten Motto: Mitgegangen - mitgehangen! Als Napoleon nach verlorner Schlacht am 19. Oktober Leipzig hocheilig verlassen hatte, fanden die Verbündeten in einem Keller in Möckern bei Leipzig einen bitterlich weinenden sächsischen König.

Aber die lieben Sachsen empfangen am 7. Mai 1815 ihren König Friedrich August mit weiß-grünen Fahnen und freuen sich maßlos.

„Am 5. Mai 1827 starb König Friedrich August I., um dessen Person sich sächsisches Nationalgefühl gerankt hatte.“  135)

Scheinbar ist in Jahnishausen nicht all zu viel geschehen. Gewiß sind Napoleons Truppen heuschreckengleich über den Ort hergefallen. Es ist allerdings wenig im einzelnen überliefert. Jahnishausen erhielt seine typische Gestalt. Das Schloß wurde fertiggebaut, der Park erfuhr weitere Pflege.

Das Schloß hat seine heutige Gestalt erhalten: „Das aus zwei schräg zueinander stehenden schmalen zweigeschossigen Bauten bestehende jetzige Herrenhaus ist anscheinend mehrfach erneuert worden. Der ältere Teil ist, vom Hof gesehen, der rechte. An seiner Parkseite im Obergeschoß ein Fenster mit Profilen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Im Innern eine gequaderte toskanische Säule wohl aus gleicher Zeit, die auf hohem Aufbau die Gewölbe stützt. Der linke Bau dürfte wenig jünger sein. Doch fand man in diesem keinen stilistisch feststellbaren Bauteil. Das Innere ist architektonisch nicht bedeutend.“ 136)

Das Wohngebäude mit der Pächterwohnung, ebenso die Gebäude um das Bogentor (1808), die sogenannten „Kavaliershäuser“ 137) , wurden um 1800 erbaut.

Der Pavillon auf der Insel im Park soll vom Anfang des 19. Jahrhunderts stammen, vielleicht eine „Überraschung“ für Prinz Johann.

Zum Zwecke einer Erbteilung wurde 1824 eine erneute Subhastation angekündigt.

 

133) Krönung: feierliche Einsetzung eines Herrschers in seine Rechte und Würden. Die Krönung abend-ländischer Herrscher bestand aus dem Krönungs-gelöbnis des Herrschers, der Salbung, der Thronset-zung (bei der Königs-Krönung), dem Anlegen von Krönungsgewändern und der Investitur mit den Krönungsinsignien (Zepter, Krone).

134) Code Napoléon: Bezeichnung des Code civil (französisches Zivilgesetzbuch) zwischen 1807 und 1814.

135) Zimmermann, I.: a.a.O., S. 104

136) Gurlitt, C.: a.a.O., S. 114

137) Kavalier: „Reiter“, „Ritter“

nach Oben

 

 

 

 Prinz Johann und Jahnishausen

Die alten Gräfinnen hatten keine andere Möglichkeit zur Erbteilung, als Rittergut und Schloß zur öffentlichen Versteigerung anzubieten.

Dazu steht im Vollständigen Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen u.a. folgendes zu lesen:

„Jahnishausen hat besonders dadurch großes Interesse erlangt, daß es bei der Subhastation 1824 (wozu es, mit Einschl. des schmannewitzer Waldstückes unter Dahlen, auf 266 272 Thlr. 20 gr. 8 pf. taxirt worden war) ein Eigenthum Sr. Hoheit des Prinzen Johann, Herzogs zu Sachsen, geworden ist.138)

Welche Auszeichnung und Aufwertung für das kleine Dorf!

Rittergut und Schloß Jahnishausen sind durch Kauf in den Besitz von Prinz Johann (1801 bis 1873), Herzog zu Sachsen, der spätere König Johann (1854 bis 1873) übergegangen.

Er war ein kluger und gebildeter Mann, der die kulturfördernde und -prägende Tradition des sächsischen Fürstenhauses fortführte.

Bevorzugt habe er Jahnishausen im Frühjahr und Sommer aufgesucht und dabei für seine Dantestudien 139) den Platz unter den Kastanien am Westgiebel des Schlosses bevorzugt.

In einem Brief an seinen Schwager Friedrich Wilhelm IV. von Preußen schreibt er:

„Schloß oder vielmehr Garten

Jahnishausen, den 29. August 1828

Unter blühenden Mandelbäumen oder vielmehr abgeblühten Lindenbäumen schreibe ich Dir in Wonne schwimmend. Nicht ein paar Tage, sondern bis Florenz werde ich mit Dir reisen. Ich werde toll, wenn ich daran denke.

Ein andermal, im Frühjahr 1829, lädt er sogar seinen preußischen Schwager sowie dessen Frau, die Kronprinzessin Elise, zum Besuch in Jahnishausen ein. Dabei fürchtet er freilich:

„Ihr möchtet Euch langweilen, weil die Gegend zwar freundlich, aber nicht ausgezeichnet und die geselligen Ressourcen fern sind, zweitens mein Raum sehr beschränkt ist, ihr also schlecht wohnen würdet. Ich könnte euch nämlich nicht mehr denn zwei Zimmer zusammen geben“ – und doch unterschreibt er sich am Schluß mit einem gewissen Stolze als »Erb-, Lehn- und Gerichtsherr auf Jahnishausen«.

Was hat den Prinzen Johann in Jahnishausen besonders angezogen? - Offenbar das Fernsein von den gewöhnlichen gesellschaftlichen und höfischen Verpflichtungen und die einfache Ländlichkeit und Stille dieses entlegenen Gutes. Ein Schimmer aus dieser Zeit, in der der Prinz und spätere König Johann hier seine Dantestudien betrieb und mit den Seinen als einfacher Mensch leben wollte, ist dem schlichten Hause und den verträumten Gärten, dem dunkeln Park und dem leise dahinziehenden Wasser von Jahnishausen verblieben. Auch heute noch ist das Herrenhaus von Jahnishausen ein stiller Ort, seine Zimmer dienen Erholungsbedürftigen zum heilenden Aufenthalte.“  140)

Pfarrer Poetzsch schreibt um 1870 in seiner Orts-Chronik:

„Im November 1824 erwarb der damalige Herzog zu Sachsen, Seine Königliche Hoheit Prinz Johann, das Schloß Jahnishausen. In den Händen dieses Herrn ist das Gut bis zum Oktober 1873 verblieben. Diese 49 Jahre, während derer das schlichte und einfache Schloß oftmals der Frühlingsaufenthalt dieses unvergeßlichen Fürsten und seiner königlichen Familie gewesen ist, sind jedenfalls die denkwürdigsten für dieses stille Gut und Dorf. Wie ernst der damalige Prinz seine Pflichten als Ritterguts- und Gerichtsherr auffaßte, geht schon daraus hervor, daß er bereits am 3. Januar 1826 diejenigen, die dem Armenwesen vorzustehen hatten, die Weisung gab: »Ich empfehle Ihnen nochmals von dem, was Ihnen von den Bedürfnissen einzelner oder ganzer Kommunen bekannt wird, mich in Kenntnis zu setzen, wo ich dann stets nach Kräften zu helfen bereit sein werde«.

Groß war die Freude der Gerichtsuntertanen, als am 24. April 1828 dem herzoglichen Paar der erste Sohn, unser nunmehriger teurer König Albert, geboren ward. ... In einem vom 26. April 1828 datierten Schreiben teilte im Namen und Auftrag seines Durchlauchten Gerichtsherrn der damalige Gerichtsverwalter von Jahnishausen den Gerichtsuntertanen mit, Seine Königliche Hoheit, der Durchlauchtigste Fürst und Herr, Johann zu Sachsen, haben in Rücksicht der Höchstihnen durch das Geschenk eines Sohnes zuteil gewordenen göttlichen Wohltat und zur Erleichterung der Untertanen, damit gleich wie Ihre Königliche Hoheit, auch sie das Glück der elterlichen Freude frei genießen mögen, sich dahin bestimmt: »Den Hofzwanggesindedienst auf Höchstdero Rittergut Jahnishausen für die Zukunft ein für allemal abzustellen«.“

Demnach gab es ein Vierteljahrhundert lang in Jahnishausen eine Zeit harmonisch-braven Biedermeiers 141), während anderenorts Julirevolution 142)  und Märzrevolutionen 143) tobten. - Einer für alle und alle für einen - wo hat es das sonst je gegeben!

Diese beispiellose Idylle wurde durch ein tragisches Ereignis in den Tiroler Bergen nachhaltig gestört: „Am 9. August 1854 verstarb König Friedrich August II. unerwartet. Bei Brennbichl in Tirol war er beim Sturz seines Wagens vom Schlag eines scheuenden Pferdes tödlich getroffen worden. Da er kinderlos starb, war die Thronfolge an Johann.“ 144)

Am 15. August 1854 passierte der Sonderzug mit dem Leichnam des am 9. August in Tirol tödlich verunglückten Königs Friedrich August den Bahnhof Riesa. Auch die Jahnishausener Untertanen nahmen Abschied an der Strecke.

König Johann muß sich nunmehr den Pflichten des Monarchen stellen. Jahnishausen kann er nicht mehr so ausgiebig besuchen. Und um die Verwaltung kann er sich schon gar nicht mehr kümmern. - So wird das Rittergut als landwirtschaftlicher Betrieb in Pacht gegeben. Diese Gepflogenheit wird bis 1945 beibehalten:

        Pächter waren...

       1861-1879 Hermann Schaeffer;

       1879-1910 Bernhard Schaeffer (Ökonomierat )145);

       1910-1927 Hans Schaeffer;

       1927-1945 Clemens Caesar.

 Nach dem Tode von König Johann, am 29. Oktober 1873, übernimmt dessen Witwe, Königin-Mutter Amalie von Sachsen, das Rittergut Jahnishausen. Sie läßt die geborstene große Glocke umgießen. 1876, am 26. März, ist feierliche Glockenweihe. „Die mittlere und die kleine, 55cm hoch, 70cm weit resp. 44cm hoch und 54cm weit, sind bezeichnet:

 

Mich ließ AVgVstVs von Kötteritz

Rittmeister DIese ZeIt

seinem aLLer LIebs /

ten IesV zV ehren

durch Andream Herolden

in Dresden giessen.

(Chronogramm 146) auf 1679)

 

Der noch minderjährige Prinz Max erhält Jahnishausen nach dem Tod Amalies (8.11.77). Die Verwaltung liegt einstweilen in den Händen von Hofmarschall Prinz Georg.

Um 1890 werden die hinteren Gutsgebäude mit Ställen und Schüttboden fertiggestellt.

Die Kirche erfährt 1890 eine Erneuerung von außen und 1896 eine Erneuerung innen.

Franciscus Nagler, Sohn des Prausitzer Kantors und Schulmeisters, erinnert sich wie folgt an Jahnishausen:

 "Wer im buschreichen Tale der kleinen Jahna abwärts wandert, der kommt unweit Riesa in einen Wiesengrund voll Anmut.

Hier liegt inmitten hoher, schöner, alter Bäume, fast ganz von einem Teiche umgeben, ein Schlößchen in vornehmer Zurückgezogenheit.

 Dichtes Laubgrün überall. Nur der Schimmer einer weißen Wand zwischen den Zweigen, ein paar Fenster und ein Stück Ziegeldach. Der Teich ist fast überwachsen von Entengrieß und Teichrosen. Man unterscheidet kaum die Insel, die er umschließt, wenn nicht eine Baumgruppe sie verriete. Zwischen deren Stämmen leuchten die Säulen eines römischen Tempelchens. Vom Schlosse her führt eine gewölbte Holzbrücke über den Teich zur Insel. Neben der Brücke am Wege, der aus der Tiefe des Parkes kommt, senkt sich die Matte zum Wasser. Dort ruht im Schilfe ein Kahn.

 Das ist Jahnishausen.

Wenn man an der Hofgärtnerei vorbei durch das große Tor des Rittergutes geht, findet man den Eingang zum Park.

Mächtige weitästige Bäume, seltne Koniferen. Farbenprächtige Blumenbeete in grünen Grasflächen. Kübelpalmen, Buschgruppen, Laubgänge. Hier der Stumpf einer versteinerten Eiche. Dort eine Herme zwischen Blattpflanzen.

Drüben am Wasser der Poetenweg: Über hochgewölbten Holzgittern sind Bäume und Sträucher dichtgewachsen zu einer langen Wandelhalle, deren Durchblick eine antike Gruppe abschließt.

Hierher, in die schlichte Schönheit dieses Winkels, in den Frieden dieser Einsamkeit flüchtete der Dichter auf dem Königsthrone, der König Johann von Sachsen, aus dem Lärm der Residenz, aus den Regierungsgeschäften, um seinen dichterischen Neigungen zu leben.

 Seinen Namen hat das Schloß von einem Grafen von Schleinitz erhalten, der um 1500 gelebt hat und ein herzlicher Freund Martin Luthers gewesen ist. Kirch- und Schulgemeinde unseres Dörfchens hatten von jeher unter der Patronatsherrschaft von Jahnishausen gestanden.

 Im Dreißigjährigen Krieg schenkten ein paar fromme Schwestern, Gräfinnen von Schleinitz, unserer Kirche ihr ganzes Vermögen. Im Januar 1824 kaufte Prinz Johann von Sachsen Schloß und Rittergut.

 So erzählte der Vater. Und er erzählte auch davon, wie nach dem Tode des Königs Johann König Albert zum ersten Male nach Jahnishausen gekommen sei, und davon, wie der Prinz Friedrich August seinen 10. Geburtstag (1875) hier verlebt hatte und wie man ihm hatte am Abend eine Huldigung darbringen dürfen.

        ...

 Ja, nach Jahnishausen und in diesen Park zog es uns immer wieder. Gewöhnlich wurde hernach im alten Dorfgasthofe Einkehr gehalten. Hier erwarteten uns Verwandte oder Bekannte aus den Nachbardörfern oder aus der Stadt.

Im Schatten alter, riesiger Kastanien trank man Kaffee und aß dicken, fetten Kuchen dazu." 147)

 

138) Schumann, A.: a.a.O., S. 37

139) In seinem geliebten Frühjahrssitz Jahnishausen hat sich der bedeutende Danteforscher Johann seinen Studien gewidmet. Die metrische Übersetzung der „Divina commedia“, veröffentlicht unter dem Pseudonym Philalethes (Wahrheitsfreund), dürfte wenigstens zum Teil im stillen Jahnishausen entstanden sein. (MIERSCH)

140) Schmidt, O.E.: Herrensitze der Lommatzscher Pflege. In: Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Mitteilungen Heft 1 bis 3, Band XXI, Dresden 1932, S. 63ff.

141) Biedermeier: treuherziger, aber spießbürgerlicher Mensch, benannt nach einem Pseudonym, unter dem L. Eichrodt und A. Kußmaul in den ›Fliegenden Blättern‹ 1855-1857 Gedichte veröffentlichten; danach neben Vormärz und Restauration (umstrittener) Begriff für die Epoche 1815-1848. Die Folge der politischen Restauration war ein widerspruchsvoller Rückzug in den privaten Freundeskreis.

142) Julirevolution: Erhebung der Pariser Bevölkerung (27.-29.6.1830), Höhepunkt des Konflikts zwischen der bourbonischen Restauration und der liberalen Kammermehrheit; führte zum Sturz Karls X. sowie zu revolutionären Erhebungen und verfassungsstaatlichen Bestrebungen im übrigen Europa.

143) Märzrevolution: die im März 1848 von der französischen Februarrevolution ausgelöste Revolution in Deutschland und in Österreich. Die Märzrevolution führte in den meisten deutschen Staaten zur Einsetzung bürgerlich-liberaler Ministerien (›Märzministerien‹) und z.T. zur Realisierung von Forderungen des Vormärzes, u.a. Pressefreiheit, Schwurgerichte, Bauernbefreiung. In Preußen endeten die revolutionären Ereignisse (seit 19.3.) mit der Wahl einer Nationalversammlung (1.5.). In Österreich setzte mit dem Sturz Metternichs (13.3.) eine stärkere Radikalisierung ein, bis zu den bürgerkriegsähnlichen Maiaufständen; gleichzeitig setzten die böhmische und die ungarische Revolution ein, die den Bestand des Staates gefährdeten. Ab 18.5.1848 tagte die Frankfurter Nationalversammlung, die eine gesamtdeutsche Verfassung und einen Nationalstaat schaffen sollte. - Am 18.9.1848 begann die vor allem von Handwerkergesellen getragene Septemberrevolution, deren zahlreiche Einzelaufstände bis 25.9. unterworfen wurden. Die Radikalisierung förderte die Gegenrevolution, die in Preußen mit der Auflösung der preußischen Nationalversammlung und der Verkündung einer oktroyierten Verfassung (15.12.1848) endete. In Österreich wurde die Wiener Oktoberrevolution (6.-31.10.) niedergeworfen und am 4.3.1849 ebenfalls eine neue Verfassung erlassen. Die Maiaufstände 1849 in Sachsen, Hessen, der Kurpfalz und Baden wurden v.a. durch preußische Truppen niedergeschlagen, die Reste der nach Stuttgart ausgewichenen Nationalversammlung (Stuttgarter Rumpfparlament) wurden am 18.6.1849 aufgelöst.

144) Zimmermann, I.: a.a.O., S. 111

145) Ehrentitel für einen verdienten Landwirt

146) Chronogramm: ein Satz oder eine Inschrift (in lat. Sprache), in der hervorgehobene Großbuchsta-ben als Zahlzeichen die Jahreszahl eines geschichtli-chen Ereignisses ergeben, auf das sich der Satz be-zieht.

147) Nagler, Franciscus: Dorfheimat. In: G. Paulsen [Hrsg.]: Kindheitserinnerungen aus Sachsen. Husum 1992, S. 64f.)

nach Oben

 

 

 

Jahnishausen in den letzten hundert Jahren (1900-2000)

Die Kirche hat man wie stets im Dorf gelassen. Ihre Instandhaltung ist den Jahnishausenern immer wichtig gewesen. Nach der Renovierung von 1890 wurde 1910 eine Heizungsanlage installiert, ein Ofen, der Rippenheizkörper, die an den Wänden des Kirchenschiffs angebracht waren, beheizte.

Noch einmal Franciscus Nagler: „Daß man durch die gute Orgel 148)  verwöhnt wurde, ist erklärlich. Auf keiner anderen machte mir das Spiel Spaß. Die der Umgegend waren aber auch Muster von Wimmerkästen, und die Krone gebührte der sogenannten Orgel in der Dorfkirche zu Jahnishausen.

Die hatte, wie die meisten, noch schwarze Unter- und weiße Obertassen, stand einen ganzen Ton zu hoch in der Stimmung, sodaß man alles transponieren mußte, und weigerte sich einfach, weniger als drei Register auf einmal klingen zu lassen. Das war vielleicht noch ein schwacher Trost. Da ergänzten sich die fehlenden Töne einigermaßen.

Mein Schwager mußte hier, in der Tochterkirche seiner Gemeinde ab und zu spielen. Als ichs zum erstenmale wagen wollte, sagte er zu mir: „Nimm nur möglichst Tonarten auf den Obertasten. Da gehen noch die meisten Pfeifen. ... Die Gemeinde hat sich mit Händen und Füßen gesträubt, die Orgel zu erneuern.“ (99f.) 149)

 Offenbar hat man an landesoberster Stelle ein Mitleid mit den Jahnishausener Ohren gehabt: Im Jahre 1912 erhielt die Kirche als Geschenk Seiner Majestät des Königs eine neue Orgel.

 

Inzwischen benötigt die Kirche keine Orgel mehr. Ihre letzten offiziellen Töne wird sie wohl Anfang der siebziger Jahre abgegeben haben. Die Jahnishausener brauchten seither auch keine Kirche mehr. Was nicht gebraucht wird, verfällt, auch Kirchen. Turm- und Kirchendach hielten den Stürmen nicht stand. Fensterscheiben hatten kecker Bubenhand als Zielscheiben gedient. Wer allerdings wann die verschlossene Kirche, die zu allen Zeiten als Kulturdenkmal galt, geöffnet hat und Holz und Baumaterial aus dem Kircheninneren herausgeholt hat, weiß man in Jahnishausen nicht. Es waren halt gottlose Verhältnisse!

Jahnishausen stellte „Helden“ für zwei wahnsinnige Kriege. Jahnishausen überlebte die Monarchie, auch das tausendjährige Reich und empfing im April 1945 seine Befreier. Nach der Bodenreform wurde das Rittergut zu einem Staatsgut und so Ende der vierziger Jahre sogar zum Volksgut „Freiheit“.

Anfangs wechselten die Betriebsleiter fast jedes Jahr. Die Gründe mögen recht unterschiedlich gewesen sein. Wer konservativ dachte, meinte, daß keiner einem Pächter Caesar gleiche. Es soll wohl seinerzeit sogar die Idee gegeben haben, den geflohenen ehemaligen Rittergutspächter bis auf weiteres das Rittergut führen zu lassen.

Die ersten beiden Betriebsleiter, Zocher und Glokzin, beendeten gar bald ihren Dienst und bekamen eine feste Unterkunft in Bautzen. Den Grund hat man nicht erfahren. Manche wollten von Schieberei gehört haben.

Es folgte ein kleiner, aber äußerst agiler Herr Merz, der wohl aus persönlichen oder Altersgründen nach wenigen Jahren wieder abging.

Ihm folgte ein Herr Ströder, über dessen fachliche Eignung als Landwirt es wohl geteilte Ansichten gegeben hat. Er war schwer kriegsbeschädigt, aber äußerst trunkfest.

Für kurze Zeit übte ein Herr Jung die Betriebsleiterfunktion aus. Er führte ein strenges Regiment, und mancher transformierte schon den Familiennamen in „Junker“. Beliebt war er offensichtlich nicht. In die Jahnishausener Geschichte ist er als Roder der Heidebirken, einem Wäldchen zwischen Jahnishausen und Mehltheuer, eingegangen. Es hieß seinerzeit, daß er dabei Volkseigentum in seine eigene Tasche gewirtschaftet habe. Er lernte daraufhin auch Bautzen von innen kennen, wie man damals hinter vorgehaltener Hand zu erzählen wußte.

Ein offenbar fähiger Landwirt und dazu gewandt im Umgang mit den Leuten war Herr Große. Er galt als besonderer Förderer der Fußballmannschaft von „Traktor Jahnishausen“. Aus persönlichen Gründen blieb er nur kurze Zeit.

Ihn löste Herr Richard Köhler ab, ein selbstbewußter Landwirt und durchaus nicht zimperlich, seine offenbar militärisch geprägte Stimme bei der Motivation der Volksgutarbeiter jederzeit lautstark einzusetzen. Ihm bot man an, ein anderes Volksgut nahe Bautzen wieder lebensfähig zu machen.

Ab 1954 leitete Herr Manfred Fantik das Volksgut, auch als es Teilbetrieb 4 des VEG Riesa-Göhlis wurde.

Das Volksgut bildete seit 1951 Facharbeiter für den Ackerbau aus, wodurch viel Leben nach Jahnishausen kam.

Die übrigen Bauern von Jahnishausen, Böhlen und Gostewitz versuchten sich, zunächst weniger aus eigener Motivation, als LPG und konnten überleben.

Seit Mitte der neunziger Jahre (1894) gab es eine Schule in Jahnishausen. Im Laufe der Jahre wuchs die Zahl der Lehrer dort, nachdem einmal ein einzelner, Hermann Pöschel, mit der Bekämpfung von Analphabetentum und Dummheit begonnen hatte, auf ein gutes Dutzend.

Mitte der sechziger Jahre waren u.a. folgende Lehrer an der Schule tätig:

        -   Frau Atzler:   Hortnerin.

        -   Gutte, Jochen:   Deutsch, Russisch.

        -   Helbig, Isolde:   Russisch.

        -   Helbig, Siegfried:   Sport, Physik, stellv. Direktor.

        -   Hentschel, Jürgen:   Pionierleiter

        -   Iltzsche, Gerhard:   Biologie, Chemie, Schulgarten.

        -   Käseberg, Anita:   vertretungsweise Unterstufe.

        -   Käseberg, Martin: Mathematik,   Direktor.

        -   Klein, Ingrid:   Unterstufe.

        -   Kretzschmar, Brigitte:   Unterstufe.

        -   Kretzschmar, Elke:   Unterstufe.

        -   Kretzschmar, Kurt:   Deutsch, Geschichte, Musik.

        -   Nicol, Fritz: Werken,   Unterrichtstag in der Produktion.

        -   Richter, Renate:   Unterstufe.

        -  Sittig, Franz:   Musik.

Weiser Ratschluß des Riesaer Kreistages bewirkte um 1970 die Schließung der damals Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule Pausitz-Jahnishausen genannten Schule. Die Jahnishausener Kinder wurden mit dem Bus nach Prausitz gebracht.

Mit der Schulschließung büßte Jahnishausen ein beträchtliches Stück an frohem Jugendleben ein.

Der Park war bis Kriegsende in gepflegtem Zustand, drei Viertel desselben waren für den Publikumsverkehr gesperrt. Man sprach in Jahnishausen auch vom verbotenen Park.

Am Vortage der Ankunft der Roten Armee in Jahnishausen war SS im Park in Stellung gegangen, dazu waren Militärfahrzeuge rücksichtslos in den Park gefahren worden. Für den Park gab es fortan keine Schonung mehr. In kalter Nachkriegszeit lieferte er Brennholz. Über ein Dutzend Parkfeste überstand er. Er wurde auch von Schweinehütten bedrängt, als man nach sowjetischer Manier brave deutsche Hausschweine abhärten und zu frosttrotzenden Wildschweinen wandeln wollte.

Ende der fünfziger Jahre ging es dann dem Park wieder besser. Er wurde gepflegt. Eigens dafür wurde ein Parkgärtner, Herr Küttner, auf Gemeindekosten angestellt. Er tat, was ihm möglich war, und man sah‘s dem Park an. Gern führten die Jahnishausener ihre Gäste durch den Park.

Das Schloß erhielt Ende der fünfziger Jahre ein neues Dach, selbstverständlich aus alten Ziegeln, denn man wußte auch damals schon von Denkmalschutzbestimmungen.

Am Jahresende 1969 saß plötzlich der rote Hahn auf dem älteren Teil des Schlosses. Es entstand erheblicher Schaden. Schulhort und Kindergarten konnten nicht mehr weiter betrieben werden. Inoffiziell wird erzählt, es habe eine Summe aus der Gebäudeversicherung für die Renovierung, zumindest für den Erhalt der Schloßruine gegeben. Eingesetzt habe man das Geld aber nicht zweckgerecht. - Wer will das heute noch genau wissen?

Das Volksgut gehört seit der Wende nicht mehr dem Volke. Es ist wohl den Weg durch die Treuhand 150)  gegangen. Die Wettiner, die das Gut bis 1945 ihr eigen nannten, haben ihr ehemaliges Gut aus Bodenreformgründen 151) nicht wieder erhalten.

Inzwischen hat der rote Hahn auch auf der großen Scheune, die man in den sechziger Jahren umgebaut hatte, gesessen, und das ehemalige Rittergut mußte seinen Betrieb einstellen.

In Jahnishausen ist außergewöhnliche Ruhe eingekehrt. Es ist inzwischen zu Riesa eingemeindet worden. Seither wachsen hübsche Häuschen zwischen Mittelweg und Großenhainer Straße. Jahnishausen ist Stadtrandsiedlung von Riesa geworden, die Luft ist gut, und des Nachts ist es unvorstellbar ruhig. - Das beste für gestreßte Erfolgsmenschen!

 

150) Treuhandanstalt: im Zuge des Einigungsprozesses von ehemaliger DDR und BR Deutschland (Vertrag über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18.5.1990, Einigungsvertrag vom 31.8.1990) errichtete, zum 1.1.1995 von der Bun-desanstalt für Vereinigungsbedingte Sonderaufgaben abgelöste rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts unter Aufsicht des Bundesministeriums für Finanzen. Ihre Aufgabe war es, die früheren volkseigenen Betriebe auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren.

151) In der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands wurde 1945 der gesamte Grundbesitz über 100ha entschädigungslos enteignet, als erster Schritt zur Zwangskollektivierung(!) (Agrarrevolution).

nach Oben

 

 

 Quellen:

-   Anonymus: Jahnishausen. Eine Chronik. O.O. und o.J. (wohl Pausitz um 1914).

-   Beiträge aus der Sächsischen Zeitung (u.a. Schönert, Küttner)

-  Berger, Alfred: Ein Streifzug durch die Nossener Geschichte. Nossen 1936

-   Brief des Instituts für Denkmalpflege Dresden (Winkler, wissensch. Mitarbeiter) an Heinrich Gutte vom 9.9.1958

-  Günther, M.: 250 Jahrmillionen blicken uns im Jahnishausener Park an. In Sächs. Zeitung, 19.6.1953

-  Gurlitt, Cornelius: Bau- und Kunstdenkmäler. Beschreibende Darstellung der älteren ... des Königreichs Sachsen, herausgegeben vom K. Sächsischen Ministerium des Innern, 37. Heft (Amtshauptmannschaft Großenhain/Land), bearbeitet von Cornelius Gurlitt, Dresden o.J. (1913)

-   Handabschrift einer älteren Chronik, (Verfasser?)

-  Meißner, Gottfried: Einweyhungs=Predigt Der Von Dem Hoch Edlen / Gestrengen / Vesten und Mannhaften Hrn. Augusto von Kötteritz auff Jahnishausen / Rittmeistern / Kostbar und künstlich in oval=form neuerbauten dem allerheiligsten Kinde JESU gewiedmeten Capellen. Meißen 1667

-   Miersch, Klausjürgen: Die historische Schloßkirche zu Jahnishausen. Das bemerkenswerte Baudenkmal eines kleinen Dorfes bei Riesa an der Elbe. Rückblick - Zustand - Gedanken zu seiner Rettung. (Herausgegeben von Hans H. Caesar, Murr 1992)

-   Naumann, Günter: Sächsische Geschichte in Daten. München, Berlin ²1994.

-   Poetzsch, Coelestin Georg: Aus der Geschichte der Kirche und der Rittergutsherrschaften zu Jahnishausen. In: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte (Leipzig 1888), Heft 4, 203-24

-   Pökert, Gerhard: Briefe an den Verfasser (Cäsar/Miersch, 1989f.)

-   Schmidt, O.E.: Herrensitze der Lommatzscher Pflege. In: Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Mitteilungen Heft 1 bis 3, Band XXI, Dresden 1932, S. 63ff.

-   Schumann, August: Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen... Zwickau 1822.

-   Thomas, Johannes: Geschichtliche Nachrichten über die zur Parochie Pausitz bei Riesa gehörigen Ortschaften. In: Unsere Heimat. Blätter zur Pflege der Heimatliebe, der Heimatforschung und des Heimatschutzes. Beilage zum Riesaer Tageblatt, Nrn. 25, 28, 29, 30, 31 (1. Jg./1928), o.S.

-  Werte unserer Heimat. Band 30, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften der DDR. Um Oschatz und Riesa. Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Wellerswalde, Riesa, Oschatz und Stauchitz. Berlin (Ost) 1977

-  Werte unserer Heimat. Band 32, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften der DDR. Elbtal und Lößhügelland bei Meißen. Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den Gebieten von Hirschstein und Meißen. Berlin (Ost) 1979

-  Wuttke, Robert (Hrsg.): Sächsische Volkskunde. Dresden 1900.

-   Zimmermann, Ingo: Sachsens Markgrafen, Kurfürsten und Könige. München Berlin 1997

nach Oben